Wie geht es weiter nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu Skonto auf Rx? Dr. Bernhard Bellinger, Rechtsanwalt und Steuerberater aus Düsseldorf, ist zuversichtlich, dass es beim Großhandel eine ganze Reihe an Stellschrauben gibt, um die drohenden Einbußen zu kompensieren. Immerhin hätten die Lieferanten in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen eingeführt, um die Rabatte an die Apotheken zu begrenzen. Sein Positionspapier – hier geht es zum Download – soll daher eine Art „Speisekarte“ für die Verhandlungen mit dem Großhandel sein, falls auch der durch das BGH-Urteil seine Konditionen anpassen muss.
Laut Bellinger ist noch gar nicht klar, ob das BGH-Urteil auch für den Großhandel gilt; hier müsse man zunächst die Urteilsbegründung abwarten. Auch zu den durchschnittlichen Verlusten will er sich nicht festlegen, weil es eine große Spreizung im Markt gebe, sodass man mit den Schnittwerten relativ wenig anfangen könne: „So fallen OTC-Artikel nicht unter das BGH-Urteil, Hochpreiser sind nicht betroffen.“ Deren Anteile seien von elementarer Bedeutung für die Folgenabschätzung.
So oder so dürfte der Großhandel aus seiner Sicht der größte Profiteur des Urteils sein. Da er nicht durch zusätzliche Kosten belastet sei, käme ihm die „Skontokastration“ zugute. Der Großhandel bekomme jetzt die Gelegenheit, Ware aus dem Direktbezug zurückzugewinnen. „Die günstigeren Konditionen, die die Hersteller beim Direktbezug den Apothekern geben konnten, waren dem Großhandel stets ein Dorn im Auge, weil ihn das Umsatz und damit Rohertrag kostete.“
Jetzt nivellierten sich für die Apotheken die Einkaufsvorteile, so Bellinger. „Natürlich erwartet hier der Großhandel einen zusätzlichen Rohertrag aus dieser Bezugsverlagerung. Das dabei erwirtschaftete Plus des Großhandels muss Kompensationsmasse im Verhältnis Großhandel zu Apotheken sein, vorausgesetzt, die Apotheken switchen den Bezug vom Hersteller zum Großhandel.“
Seiner Meinung nach könnte man den Vollversorgern sogar eine gewisse Verpflichtung unterstellen, den Apotheken entgegenzukommen: „Da sich der Großhandel sicher nicht vorwerfen lassen wird, er hätte bei dem auch von ihm ausgelösten BGH-Urteil ausschließlich die Schädigung der Apotheken im Blick gehabt, wird er die bei ihm kumuliert auflaufenden Vorteile letztlich mit den Apotheken teilen müssen.“
Wo also kann der Großhandel den Apotheken entgegenkommen? Seiner Meinung nach gibt es zwei Bausteine bei den Verhandlungen, nämlich die Kappung der Einkaufskonditionen zu Lasten der Apotheken und das Zusatzgeschäft aus dem Switch des Bezugsweges. „Dabei wäre durchaus denkbar, dass die Apotheken eine Vollkompensation vom Großhandel für die Skontoreduzierung auf anderen Feldern erhalten und der Großhandel im Gegenzug vom Bezugsswitch von den Herstellern profitiert. Das wäre für alle Beteiligten zumutbar.“
Das Hauptaugenmerk der Apotheken werde also darauf liegen, das „Unterholz der Rabatt- und Skontoausschlüsse des Großhandels zu roden“, so Bellinger.
Wichtigste Stellschraube wird der Handelsspannenausgleich sein, für den es laut Bellinger bei einer Skontoreduzierung keinen stichhaltigen Grund mehr gibt. „Bei einer von uns analysierten Durchschnittsapotheke entsprach allein der Handelspannenausgleich rund 42 Prozent des Skontowegfalls.“
Auch die Rabattausschlüsse und Sonderartikel mit gekürzten Rabatten werden laut Bellinger zu diskutieren sein.
Den Rechenweg bei den Vorteilen aus dem Überweisergeschäft werde man ebenfalls nachkalkulieren müssen.
Mit einem dynamischen Energiebeitrag und zusätzlichen Tourengebühren hatten die Großhändler in den vergangenen Jahren auf die Kostensteigerungen reagiert. „Diese machten bei der von uns analysierten Durchschnittsapotheke 8,5 Prozent des Skontowegfalls aus.“
„Werbekostenzuschüsse fallen nicht unter das BGH-Urteil, könnten also aufgestockt werden.“
Auch die Servicegebühren werden laut Bellinger als Kompensationsmasse in die Diskussion kommen.
Auch über eine verzinste Vorauskasse als Kompensationsmedium könne man nachdenken: „Sie fällt nicht unter das BGH-Urteil, weil sie weder stückbezogen noch Rx-gebunden ist. Denkbar wäre auch eine Vergütung für die Duldung des Lastschrifteinzugs. Auch Boni, die an Mindestumsätze in der Geschäftsbeziehung gebunden werden, dürften nicht unter das BGH-Urteil fallen.“
Was durch Umschichten im Rx-Bereich nicht ausreiche, müsse im Non-Rx-Bereich aufgestockt werden. „Dort gibt es keine gesetzlichen Beschränkungen.“
Wenn der Großhandel ein zusätzliches Stück vom Kuchen für sich bekomme, werde sich das auch im Betriebsergebnis und damit auch bei den Dividenden der Genossenschaften niederschlagen. „Deshalb sollten die Apotheken direkt überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, prophylaktisch die Genossenschaftsanteile aufzustocken auf den Maximalbetrag. Die Dividendensteigerung ist nämlich auch eine Form der Kompensation der Skontonachteile.“
Ähnlich verhält es sich mit Kooperationen, die teilweise über den Großhandel gesteuert werden und ebenfalls Rückvergütungen gewähren. Bellinger sieht in den Beiträgen eine weitere Möglichkeit zur Kompensation.
Sein Fazit: „Packungswertausgleich und Umkonditionierung der Einkaufsvorteile werden empfindlich die Nachteile bei den Apotheken eindampfen.“ Dabei sollte man die Einkaufsvorteile saldiert rechnen – also Summe der gewährten Vorteile abzüglich Zuschläge und Gebühren des Großhandels, mit denen er die Einkaufsvorteile heute faktisch aushöhlt. „Dieser Saldo muss den Apotheken durch Umschichten erhalten bleiben – und das ist dem Großhandel durchaus zuzumuten, weil er durch das BGH-Urteil keine zusätzlichen Kosten hat, aber neben der Skontokürzung zusätzliche Umsätze generieren wird.“
In der Summe wird das BGH-Urteil laut Bellinger dazu führen, dass „das Gestrüpp der Einkaufsvorteile, das außer dem Großhandel eigentlich nur noch auf Abrechnungskontrolle spezialisierte Fachfirmen durchschauen, neu geordnet wird“. Er rät Apothekerinnen und Apothekern dazu, sich dabei von Spezialisten professionell begleiten zu lassen, um bei dieser Umstellung tatsächlich mit einer roten oder schwarzen Null herauszukommen.
Sollte es zu den genannten Folgen kommen, wären Hersteller und Importeure die eigentlichen Leidtragenden des BGH-Urteils. Denn sie müssten Einbußen im Direktgeschäft hinnehmen.
Der Ruf der Apothekerschaft nach einer Absenkung des Kassenabschlags findet Bellinger zwar nachvollziehbar, aber kaum erfolgsversprechend. „Die Rechtsquellen sind unterschiedlich und haben auch nicht kommunizierende Zielrichtungen. Eine politische Mehrheit für diese Forderung ist unwahrscheinlich.“
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