Statt Flohmarkt: Apotheker will Rückläufer freigeben Julia Germersdorf, 05.01.2023 14:26 Uhr
Daniel Miller, Inhaber der Adler-Apotheke in Kirchheim, schrieb kürzlich einen Brandbrief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Über nicht verfügbare Arzneimittel für Säuglinge und Kinder, Antibiotika, Fiebersäfte, Blutdruckmittel und viele mehr. Die Liste werde täglich länger, die Lage immer katastrophaler, so der Apotheker.
Verschreibungspflichtige Arzneimittel und OTC-Arzneimittel seien gleichermaßen betroffen, so Miller. Und oft gebe es keine Alternative. Man steuere auf einen Notstand zu. Der zusätzliche Aufwand führe auch dazu, dass das Gesundheitssystem allmählich vor einem „Burnout“ stehe: „Den Apotheken wurde seit Anbeginn der Pandemie ein Mammutprojekt nach dem nächsten auferlegt“, so der Apotheker.
Ihm gehe es aber nicht darum nur zu motzen, sondern auch konkrete Lösungen vorzuschlagen. So fordert er von Lauterbach erleichterte Austauschmöglichkeiten in der Apotheke ohne Rücksprache mit dem Arzt, aber auch den erleichterten Austausch von Arzneimitteln unter Apotheken. Hilfreich wäre aus seiner Sicht auch eine Plattform zur Kommunikation von Industrie, Großhandel, Ärzten und Apotheken über Lieferengpässe.
Medikamente wiederverwerten
Elementar sei auch, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Entschärfen ließe sich die Situation nämlich auch, wenn Arzneimittel mehr geschätzt würden und die Compliance verbessert werde. Miller würde sogar so weit gehen, unter geeigneten Sicherheitsmaßnahmen eine Möglichkeit zur Wiederverwendung nicht eingenommer Arzneimittel einzuführen.
Das Thema Nachhaltigkeit beschäftige ihn in Bezug auf Medikamente ohnehin stark. Oft würden Medikamente beispielsweise für Pflegeheimbewohner verschrieben, die kurze Zeit später wieder abgesetzt würden. Oder erst gar nicht mehr zum Einsatz kämen. „Ein Patient, der sich in der finalen Phase befindet, braucht vermutlich keine N3-Packung mehr.“
Millers Team betreut viele Pflegeheime und erlebt „schlichtweg zu häufig, dass Schmerzmittel, Psychopharmaka und andere Medikamente in Hülle und Fülle zur Entsorgung zurückkommen“. Sogar nicht geöffnete Packungen seien dabei. Hier sieht der Apotheker Potenzial, diese Medikamente mit entsprechender Sorgfaltspflicht zurück in den Umlauf bringen zu können. Schließlich sei Pflegepersonal auch entsprechend der Medikamentenlagerung geschult.
Aufschlag für Produktion in Deutschland
Auch die Arzneimittelproduktion in Deutschland muss aus Sicht von Miller wieder attraktiver werden. Man müsse unbedingt raus aus der Abhängigkeit von anderen Ländern, sagt er und schlägt vor, zunächst eine Liste mit unbedingt notwendigen Arzneimitteln zu erarbeiten. Für dieses Notsortiment solle dann eine gesicherte Produktion in Deutschland geschaffen werden – mit entsprechendem Aufschlag für die Hersteller.