Starke Regelblutung: Hinweis auf Gerinnungsstörung Hanna Meiertöns, 09.12.2022 10:23 Uhr
Etwa 1 Prozent der Bevölkerung hat laut der Deutschen Hämophilie Gesellschaft (DHG) das Von-Willebrand-Syndrom. Frauen sind dabei genauso häufig betroffen wie Männer: Eine übermäßig starke oder lange Monatsblutung (Menorrhagie) kann ein Hinweis auf die erblich bedingte Blutungsstörung sein.
Blutungsepisoden betreffen Frauen zwischen 13 und 59 Jahren regelmäßig; rein statistisch gibt es im Leben etwa 3000 Blutungstage mit jeweils 30 bis 72 ml Blutverlust. Darüber hinaus erlebt auch jede vierte Frau Blutungen in den ersten 20 Wochen der Schwangerschaft. Bei der Geburt kommt ein Blutverlust von circa 500 ml hinzu. Ein zu hoher Blutverlust nach der Geburt – das entspricht einer Blutmenge von mehr als einem halben Liter in den ersten 24 Stunden – ist in einem von vier Fällen die Ursache von Müttersterblichkeit.
Eine übermäßig starke oder lange Monatsblutung (Menorrhagie) kann ein Symptom einer Blutungsstörung sein. In einer Studie schilderten von 5127 Befragten 28 Prozent Symptome, die auf eine Menorrhagie hindeuteten – nur die wenigsten sahen darin einen Grund, ihren Arzt oder ihre Ärztin zu Rate zu ziehen.
Symptome erkennen
Das sind Anhaltspunkte für eine Menorrhagie, die auch in einem Beratungsgespräch abgefragt werden könnten:
- Monatsblutung dauert sieben Tage oder länger
- ein Blutverlust von über 80ml (nur messbar bei Anwendung einer Menstruationstasse)
- Patientin muss alle ein bis zwei Stunden Hygieneartikel wechseln oder auf doppelten Schutz zurückgreifen (Tampon + Damenbinde)
- Blutklumpen im Menstruationsblut
- Beeinflussung der Lebensqualität durch die Regelblutung
- Eisenmangel (bei Verordnung durch einen Arzt auch auf Ursachenforschung hinweisen)
Der Einfluss auf die Lebensqualität in verschiedensten Bereichen ist dabei nicht zu unterschätzen. Neben körperlichen Folgen wie Schmerzen, Eisenmangel oder sogar Eisenanämie bis hin zu Anovulation (Ausbleiben des Eisprungs), führt eine übermäßige Monatsblutung häufig auch zu mehr Fehltagen in der Schule oder auf der Arbeit, einer eingeschränkten Teilnahme an Aktivitäten eingeschränkt oder sozialer Isolation. Die emotionale Belastung nimmt dazu Einfluss auf den Kinderwunsch – Depressionen, Ängste, Schamgefühl und ein vermindertes Selbstbewusstsein sind ebenfalls Folgen der Menorrhagie.
Studien ergaben, dass bei 13 bis 24 Prozent der Frauen mit übermäßig starker Monatsblutung eine nicht diagnostizierte Blutungsstörung vorliegen könnte.
Die zwei häufigsten Blutungsstörungen sind erblich und beruhen auf genetischen Mutationen:
- Hämophilie: Dabei liegt ein genetischer Defekt vor. Bei der Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII, bei der Hämophilie B der Faktor IX. Da es sich um eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung handelt, sind Männer häufiger davon betroffen als Frauen.
- Von-Willebrand-Syndrom (vWS): Es ist weltweit die häufigste angeborene Blutstillungsstörung, laut der Deutschen Hämophilie Gesellschaft ist etwa 1 Prozent der Bevölkerung davon betroffen – Männer und Frauen dabei gleich häufig, da sich der genetische Bauplan des vWF auf einem der Autosome befindet. Der vWF ist ein Glykoprotein im Blut. Neben einer Adhäsivfunktion für Endothel und Thrombozyten, transportiert es auch den Faktor VIII im Plasma und schützt diesen vor dem schnellen Abbau. Der vWF kann vermindert, qualitativ defekt sein oder völlig fehlen.
Tabuthema Menstruation
Neben der Tatsache, dass noch immer 59 Prozent der Befragten in Deutschland das Thema Menstruation für gesellschaftlich inakzeptabel halten, zeigte die Studie auch, dass zu wenig Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit an den Heilberuflern geleistet wurde: Nur die Hälfte der Spezialisten, darunter Gynäkolog:innen und Geburtshelfer:innen, erkannten die Symptome einer Menorrhagie.
74 Prozent der befragten Frauen gaben ihre Mutter als Hauptinformationsquelle an, 25 Prozent unterhielten sich auch mit Freund:innen und Familie über das Thema. Da Hämophilie und vWS Erbkrankheiten sind, kann es passieren, dass die Menorrhagie in der Familie als normal starke Regelblutung wahrgenommen und dadurch über Generationen eine Falscheinschätzung weitergegeben wird.
Auch deshalb ist es wichtig, darüber nicht nur offen in der Familie zu sprechen, sondern generell das Tabu in der Gesellschaft aufzuheben. Häufiger bekommen Männer eine Diagnose, auch sie sollten Frauen im Familienumfeld darüber aufklären, da die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese auch betroffen sind.