Wer eine Apotheke an einem neuen Standort eröffnet oder übernimmt, sollte sich die Nachbarschaft vorher genau ansehen. Denn nicht nur die ansässigen Ärzte sind entscheidend für den Erfolg einer Apotheke, sondern auch die übrigen umliegenden Geschäfte. Bestehende Apotheken sollten ihre Nachbarn ebenfalls genau im Blick behalten – und notfalls rechtzeitig umziehen, rät Hans Kohlhaas, Geschäftsführer der Beratungsfirma Baufeldt & Partner.
Lage, Lage und Lage – das sind Experten zufolge die drei entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine Apotheke. Auch wenn das sicherlich eine Zuspitzung ist, wird niemand behaupten, dass drei Ärzte im Haus der Apotheke für den Umsatz schädlich wären.
Doch schon bei den Ärzten gilt laut Kohlhaas, dass Verordner nicht gleich Verordner ist: „Allgemeinmediziner, Internisten, Kinder- und Augenärzte sind Frequenz- und damit meist auch Ertragsbringer.“ Eine onkologische Praxis in der Nachbarschaft sei dagegen nur für Apotheken mit hoher Liquidität interessant, die ohne Kredit viele Hochpreiser-Rezepte bedienen können. Zahnärzte seien in ihrer Bedeutung für den Umsatz dagegen als Nachbarn fast vollständig zu vernachlässigen, so Kohlhaas.
Doch nicht nur die Kollegen in Weiß wirken sich positiv auf das Geschäft des Apothekers aus, sondern beispielsweise auch hochfrequente Lebensmitteleinzelhändler. Gut laufende Supermärkte mit einer Fläche bis zu 800 Quadratmetern seien beispielsweise ideale Nachbarn: Viele Kunden, die verhältnismäßig oft wiederkommen.
Noch größere Verbrauchermärkte sind Kohlhaas zufolge dagegen schon wieder kritisch für die Apotheke: Als integrativer Bestandteil in der sogenannten Check-out-Zone könne die Apotheke noch erfolgreich sein, draußen vor dem Markt sei es aber sehr schwierig. „Dann haben die Leute ihren Einkauf hinter sich und gehen nicht mehr in die Apotheke“, so Kohlhaas.
Überhaupt müssen sich die Pharmazeuten aus Sicht des Beraters klar machen, dass der Einkauf in der Apotheke meist eine Folge anderer Erledigungen ist, selten die erste Entscheidung: „Kein Mensch denkt am Monatsersten daran, wie viel Geld er für Arzneimittel ausgeben möchte. Das Budget beträgt exakt 0 Euro, Chroniker ausgenommen“, so Kohlhaas. Kunden gingen auch nicht in die Apotheke, um zu stöbern.
Deshalb ist es für Apotheken besonders wichtig, dass das Umfeld Frequenz liefert. „Alles was den Tagesbedarf deckt, ist gut“, so Kohlhaas' einfache Formel. Allerdings sollte es sich um „intendierte Frequenz“ handeln. „Niedrigpreisgeschäfte wie 1€-Läden oder Handyverkäufer ziehen zwar viele Kunden an, die kommen aber mit einem anderen Entscheidungsprofil.“ Sich auf die Schnäppchenjäger einzustellen, sei für Apotheken schwierig. In einem hochwertigen Umfeld falle es Apotheken in der Regel leichter, ihr eigenes Konzept an die Gegebenheiten anzupassen.
Generell schwierig sind auch Nachbarn, die Investitionen des Kunden binden: Textilmärkte oder Schmuckgeschäfte sind Beispiele für Läden, die zwar Frequenz in die Lage bringen, aber keinen Umsatz in die Apotheke. „Die Kunden haben dann den Kopf nicht dafür“, so Kohlhaas. Auf ihrem Einkaufszettel komme die Apotheke schlicht und einfach nicht vor. Dasselbe gelte für kulturelle Veranstaltungen wie etwa Theater. Banken oder die Post seien dagegen spannende Nachbarn.
Kohlhaas rät Apothekern, ihr Umfeld permanent im Blick zu behalten: „Sobald die ersten Nagelstudios auftauchen, haben Sie ein Problem“, so sein Tipp. Denn dann zahle die Apotheke vermutlich bereits zu viel Miete an ihrem Standort. Und bekomme der Edeka-Markt gegenüber Schwierigkeiten, könne man das normalerweise lange vorher auf dem Kundenparkplatz sehen. Schließende Einzelhändler oder wegziehende Ärzte könnten für Apotheken schnell zu existentiellen Problemen werden, wenn der Mietvertrag noch lange laufe. Anderenfalls hat Kohlhaas eine klare Botschaft an die Inhaber: „Wegziehen und es woanders versuchen.“
Aufgrund der Standortanalysen von Baufeldt & Partner hält Kohlhaas fast 7000 Apotheken für obsolet, weil sich die Areale verändert haben. Dass diese Apotheken noch immer bestehen, liegt Kohlhaas zufolge im Wesen des Einzelhändlers. „Bevor der sein Geschäft aufgibt, steckt er seine Rente und das Vermögen seiner Eltern in den Betrieb, alles wird in den Markt gebuttert.“ Apotheker neigten zudem zur Selbstausbeutung.
Darin sieht er aber auch eine Chance: „Die Leute kaufen ja nicht weniger ein oder gehen weniger zum Arzt als früher.“ Nach seinen Berechnungen gibt es bundesweit mindestens 3200 freie Frequenzlagen, an denen sich eine Apotheke rechnen würde. Erst unlängst habe er einen Standort in Düsseldorf vermittelt, mit einem riesigen Ärztehaus in der Nachbarschaft, aber ohne Apotheke.
Die eigenen Marktkenntnisse will Baufeldt natürlich auch selbst verkaufen. Apotheken können sich von der Beratungsfirma eine Frequenz-Potenzialananlyse erstellen lassen. Dieser Einstieg in ein Beratungsgespräch ist kostenlos. Errechnet werden etwa das Gesamtrezeptpotenzial oder die Ausschöpfungsquote der Apotheke.
Bei allen Zahlenspielen bleibt ein Faktor für Kohlhaas der alles entscheidende: „Der Apotheker. Ist der eine Pflaume, bekommt er auch den besten Standort klein.“
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