Die Vorwürfe wiegen schwer: Der geständige Windpark-Betrüger Hendrik Holt hat vor dem Landgericht Osnabrück ausgesagt, mit dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über einen Deal über Desinfektionsmittel gesprochen zu haben – und indirekt auch über Provisionen. Spahn bestreitet dies mit Nachdruck und hat sich seinerseits an die Staatsanwaltschaft gewandt. Die hat nun gegen Holt neue Ermittlungen wegen falscher Verdächtigung aufgenommen.
Im Rahmen der Durchsuchungen bei Holt wurde auch eine E-Mail beschlagnahmt, die der damalige Holt-Lobbyist Benedict Pöttering an Spahn geschickt hatte. Der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) liegt jetzt endlich die Korrespondenz nun vor – inklusive Spahns Antwort. Zunächst hatte das Ministerium noch fälschlicherweise bestritten, dass es überhaupt einen Austausch gegeben habe.
Im Frühjahr 2020 – zu Beginn der Coronakrise – schrieb Pöttering an seinen Duzfreund Spahn: „Lieber Jens, anbei wie besprochen, unsere Möglichkeiten um benötigte Masken und auch Desinfektionsmittel zu beschaffen. Hendrik Holt (in CC) und ich stehen für die Zuverlässigkeit der Lieferung der Waren ein. Hoffe, wir können helfen. Wir stehen für die Klärung der Details bereit. Dir einen lieben Gruß und weiterhin glückliche Hand in diesen schwierigen Zeiten!“
Pöttering war damals kurzzeitig Aufsichtsratschef der Holt Energy AG und für den Windparkunternehmer als Lobbyist in Berlin unterwegs. Zuvor und aktuell wieder ist er in gleicher Funktion für die Versandapotheke DocMorris tätig. Über die Zur Rose-Tochter sollte angeblich auch der Deal mit den Desinfektionsmitteln abgewickelt werden. DocMorris betont aber, an keinem Geschäft mit dem BMG beteiligt gewesen zu sein. Und der geplanter Deal mit Holt kam letztlich nicht zustande.
Die NOZ hat auch Spahns Antwort an Pöttering veröffentlicht, aus der zumindest hervorgeht, dass der Bund letztlich nicht bei Holt eingekauft hat. Am 5. April schrieb Spahn, man sei aufgrund der Partnerschaften „mit deutschen Konzern mit China-Geschäft“ von Tag zu Tag weniger abhängig von Angeboten, „die in diesem Umfang Vorkasse erfordern“. In der Antwort mit dem Betreff „Lieferung Masken FFP2/ 3, Desinfektionsmittel“ rät Spahn seinem Duzfreund, die angebotene Ware anderen Interessenten zu verkaufen, „Krankenhäuser, Pflegeheime, KV oder auch Länder“.
Weiteren Austausch soll es nicht gegeben haben – zumal Holt wenige Tage nach der Mail im Berliner Hotel Adlon festgenommen wurde. Eben dort soll nach Holts Angaben auch das angebliche Treffen mit Spahn stattgefunden haben. Allerdings hat der Ex-Minister dies mehrfach bestritten. Er kenne Holt gar nicht persönlich. Sogar bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück fragte Spahn wegen der aus seiner Sicht falschen Anschuldigungen nach, was die Justizbehörden in Niedersachsen dann doch etwas verwunderte.
Der Sache wird aber weiter nachgegangen. Bereits im Februar hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber APOTHEKE ADHOC bestätigt, dass wegen der im Holt-Prozess getätigten Aussagen zu dem angeblichen Desinfektionsmitteldeal ermittelt würde. Heute bestätigte der Sprecher, dass gegen Holt neue Ermittlungen wegen falscher Verdächtigung aufgenommen wurden. Ob Spahn selbst Strafanzeige gestellt hat oder die Behörde von Amts wegen ermittelt, war bislang auf Nachfrage nicht zu erfahren. Offen ist auch, ob die Staatsanwaltschaft in weitere Richtungen oder gegen andere konkrete Personen ermittelt.
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