Vielen Apothekern läuft noch ein Schauer über den Rücken, wenn sie den Begriff 2hm-Gutachten hören. Die berüchtigte Analyse könnte bald noch in den Schatten gestellt werden: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat ein Gutachten zur teilweisen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung und der Gewährung von Rx-Boni in Auftrag gegeben.
Tief in den Bundestagsdrucksachen vergraben fand sich kürzlich bereits ein erster Hinweis auf das Vorhaben des BMG: Die Linken-Gesundheitspolitikerin Sylvia Gabelmann hatte die Bundesregierung im Dezember gefragt, welche Informationen sie darüber hat, ob der Rückgang der Apothekenzahl eher in strukturschwachen oder aber in überdurchschnittlich mit Apotheken versorgten Regionen stattfindet und ob die Bundesregierung plant, eine entsprechende Bedarfserhebung durchzuführen, um eine mögliche regionale Unterversorgung identifizieren zu können.
„Entsprechend differenzierte Informationen zur regionalen Verteilung von Apotheken liegen der Bundesregierung nicht vor“, antwortete die Bundesregierung. Allerdings habe das BMG ein Gutachten zum Apothekenmarkt in Auftrag gegeben, „mit dem unter anderem eine verbesserte Datenlage als Grundlage für künftige politische Überlegungen geschaffen werden soll“. Hinter der etwas kryptischen Formulierung verbirgt sich allerdings mehr, als es auf den ersten Blick scheint.
Denn bereits im November hat das BMG unterhalb des Radars der Öffentlichkeit das Iges-Institut und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit der Erstellung eines ökonomischen Gutachtens zum Apothekenmarkt beauftragt, wie das Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Nachfrage bestätigt. „Das Gutachten befasst sich mit den möglichen Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Aufgabe der Preisbindung beziehungsweise der Gewährung von Boni bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“, so ein BMG-Sprecher. Mit der Fertigstellung des Gutachtens rechnet das BMG bis Mitte des Jahres.
Ein pikantes Detail: Die seinerzeit bei 2hm zuständige Gutachterin Iris an der Heiden arbeitet heute als Projektleiterin Gesundheitspolitik für das Iges-Institut – ob sie in die neue Analyse involviert ist, war nicht zu erfahren. Ebenfalls für das von Professor Dr. Bertram Häusler und Hans-Dieter Nolting geführte Iges tätig ist Dr. Hans-Jürgen Seitz, der ehemalige ABDA-Hauptgeschäftsführer ist Beauftragter der Geschäftsführung für den Pharmamarkt.
Beim jetzigen Auftrag werde eine „eine andere Fragestellung betrachtet als bei dem bereits erstellten Gutachten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie“, so der BMG-Sprecher. Grundlage für das derzeit erarbeitete Gutachten bilden demnach insbesondere frei zugängliche statistische Daten. Vielleicht auch deshalb ist es im Vergleich zu 2hm ein Schnäppchen: Mit 140.000 Euro soll es netto nicht mal ein Drittel dessen kosten, was das BMWi bezahlt hat – 450.000 Euro.
Bei der Untersuchung für das BMWi ging es vor gut zwei Jahren um die Aus- und Umgestaltung des Apothekenhonorars. Auf 256 Seiten widmeten sich dort die Experten der Unternehmensberatung 2hm den Handelsspannen von Apotheken und Großhandel. Insgesamt wollten die Gutachter rund eine Milliarde Euro beim Apothekenhonorar einsparen. Als neues und ausreichendes Fixhonorar schlugen sie 5,80 Euro statt 8,35 Euro vor. Das müsse reichen, denn pro Packung fielen durchschnittlich nur fünf bis sieben Minuten Beratungszeit an, pro Rezept elf Minuten.
Vor allem die vorgeschlagenen Einsparungen von einer Milliarde Euro schockierte die Branche – schließlich haben Apotheken im Gegensatz zu anderen Akteuren im Gesundheitswesen seit 15 Jahren keine Honorarerhöhung erhalten und sehen dementsprechend eher Bedarf in die andere Richtung. Am Ende hatte das Gutachten keine konkreten Folgen – dient aber von Zeit zu Zeit als dankbare Drohkulisse für die Gesundheitspolitik.
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