Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit den Apothekern ab sofort über eine umfassende Reform von Vorschriften und Aufgaben sprechen. Er setzt der ABDA die Pistole auf die Brust: Die Gespräche dürften nicht „im Nirwana“ enden. In einem halben Jahr will er Ergebnisse liefern.
Beim Deutschen Apothekertag in München sagte Spahn, er sei nicht gekommen, um den Apothekern ein fertiges Konzept hinzustellen. „Dann bräuchten wir ja nicht mehr zu diskutieren.“ Seine ersten knapp sieben Monate als Gesundheitsminister seien geprägt gewesen von den Themen Pflege und ambulante ärztliche Versorgung. Das soll sich nun ändern, so die klare Ansage: „Ich kann Ihnen versprechen: Das nächste halbe Jahr wird sehr stark geprägt sein von Fragen zur Arzneimittelversorgung.“
Zunächst stellte Spahn klar: „Es wird keinen Fremd- und Mehrbesitz geben, solange ich Gesundheitsminister bin.“ Er sehe den Wert von inhabergeführten Betrieben, auch im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang: „Es geht nicht nur um Apotheken, alles hängt mit allem zusammen. Es geht grundsätzlich um flächendeckende Versorgung.“
Spahn: „Das rote Apotheken-A ist ein Stück Heimat, das gilt nicht nur für das Land, sondern auch für Stadtteile.“ Noch sei die flächendeckende Versorgung gut, man müsse sichern, was heute noch gut sei. „ich möchte die Apotheke vor Ort stark machen, oder sogar noch stärker.“
Heute seien die Wettbewerbsbedingungen nicht fair, es bleibe daher dabei: „Wir wollen uns das im Koalitionsvertrag versprochene Rx-Versandverbot genau anschauen.“ Das Raunen, das sofort durch die Menge ging, griff Spahn direkt auf: „Da können Sie stöhnen, aber wir müssen europarechtliche Themen in den Blick nehmen.“
Spahn forderte die Apotheker auf, den Blick zu weiten: „Was kann noch alles helfen, die flächendeckende Versorgung zu sichern?“ Apotheker hätten ein „wahnsinniges Wissen“, das er für Gesundheitsversorgung „noch besser verfügbar“ machen wolle.
Konkret fragte Spahn: Passt der Nacht- und Notdienstfonds noch strukturell und finanziell? Wären andere Honorarbestandteile eine Option? Wie lässt sich die Arzneimitteltherapiesicherheit organisieren? Wären die Apotheker dabei, Pflegebedürftige zu begleiten oder Aufgaben in der Prävention zu übernehmen? „Wollen Sie impfen? Das müssen Sie mir sagen!“
Spahn will weitere Fragen konkret angehen: Er stellte zur Diskussion, den Botendienst neu zu definieren oder sogar Telepharmazie zuzulassen. „Wir sollten über alles diskutieren, ich bin bereit.“ Nicht ersparen könne er den Apothekern die Debatte über das Honorargutachten: „Das ist nun einmal auf dem Tisch im Bundestag.“
Laut Spahn geht es um die Leistungen der Apotheken und um die Honorarstruktur und -entwicklung. „Wir haben ziemlich viele Themen in der Arzneimittelversorgung, über die wir sprechen sollten. Wir wollen der Apotheke vor Ort Rücken den stärken, wir haben viel Anlass zu reden und zu diskutieren.“
Spahn sagte, er wolle heute starten und die Gespräche in den nächsten Wochen weiterführen. Immer wieder betonte er, dass er schon bald konkrete Ergebnisse wolle, und zwar als Paket, das zwar nicht alle Wünsche der Apotheker erfülle, das er aber mit gutem Gewissen dem Bundestag vorlegen könne.
„Ich kann Ihnen versprechen: Mit mir kann man streiten, über mich kann man sich auch ärgern. Aber mit mir kann man auch viel bewegen. Ich möchte verändern und nicht den Status Quo verwalten. Wenn Sie Willens sind, können es spannende Monate werden, die auf uns zukommen.“
Spahn kündigte auch an, in den kommenden ein bis zwei Jahren den PTA-Beruf zu überarbeiten: Der Schwerpunkt liege heute auf Beratung und Information, weniger auf der Herstellung. „Vielleicht haben wir hier Anknüpfungspunkte.“ Nach Pflegekräften und Heilmittelerbringern seien auch die PTA an der Reihe, kein Schulgeld mehr zahlen zu müssen: „Es kann nicht sein, dass bei händeringend gesuchten Fachkräfteberufen die Botschaft ist: Ihr müsst noch Geld mitbringen.“
Noch in diesem Jahr will Spahn eine Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) anstoßen, um nach den Arzneimittelskandalen um Valsartan und Lunapharm die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. Er will ein besseres Zusammenspiel der Behörden von Bund und Ländern, teilweise auch mehr Kompetenzen für den Bund. Außerdem gehe es um Haftungsfragen und die Kontrolle.
Auch die Liefersicherheit gehöre dazu, so Spahn. Engpässe beschäftigten die Gesundheitspolitik schon länger. Er wolle auch über die Rabattverträge reden, die er zwar nicht grundsätzlich in Frage stelle. Aber Wettbewerb sei kein Selbstzweck. „Zu Liefersicherheit gehört auch, dass wir die Wirkstofflieferanten mit in den Blick nehmen.“
Ein weiterer Fokus sei die Digitalisierung, die sich nicht abwenden lassen. „Wir müssen uns fragen: Wollen wir das gestalten oder wollen wir es erleiden?“ Die Frage sei: Wir oder Andere? Er wolle nicht, dass die Angebote der Zukunft „von außen über uns kommen“. Man müsse auch über Fernverschreibung reden, nachdem Fernbehandlung erlaubt worden sei.
Sobald alle Ärzte mit Connectoren ausgestattet seien, kämen Krankenhäuser und Apotheken an die Reihe, so Spahn. „Das ist nicht umsonst, wir werden auch über die Vergütung beziehungsweise Erstattung sprechen. Mir ist wichtig, dass jeder angeschlossen ist.“ 2020/21 wolle er für jeden Versicherten eine elektronische Patientenakte haben, ein entscheidender Bestandteil werde dabei das E-Rezept sein.
Und: „Dass der Medikationsplan auf Papier im Jahr 2018 das Regelangebot ist, finde ich nicht befriedigend“, so Spahn. Er wolle daher schnell mit der Apothekerschaft die Angebote entwickeln. „Klar ist, dass die freie Wahl der Apotheke erhalten bleiben muss.“
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