Neben den Honorarforderungen steht bei den Apothekern ein Thema ganz oben auf der politischen Agenda: Der Kampf gegen Nullretaxationen. Die ABDA sammelt aktuell besonders haarsträubende Fälle, um bei der Politik vorzusprechen. Doch auch die Kassen sind munitioniert: So hat etwa die DAK mehrfach gerichtlich durchgesetzt, dass auch Retaxationen aufgrund von Formfehlern zulässig sind.
Derzeit wehrt sich eine Apothekerin aus Baden-Württemberg gegen eine Absetzung von 12.000 Euro.In Leipzig kämpft ein Apotheker noch gegen eine Kürzung über 14.000 Euro. Die DAK lässt es auf eine rechtliche Klärung ankommen – immerhin hat das Sozialgericht Lübeck in einem ähnlichen Verfahren der Kasse Recht gegeben. Wie im aktuellen Fall fehlte in dem 2012 verhandelten Beispiel auf einem T-Rezept über das Lenalidomid-haltige Medikament Revlimid eines der obligatorischen Kreuze.
Die Kasse hatte das Rezept auf Null retaxiert, dem Apotheker wurden fast 6900 Euro von der Rechnung gestrichen. Dieser hatte seinem Einspruch noch ein Schreiben der verordnenden Ärztin beigefügt, die die volle Verantwortung für das fehlerhafte T-Rezept übernommen hatte. Auch der Landesapothekerverband Schleswig-Holstein hatte sich eingeschaltet. Doch die DAK blieb hart: Die Einhaltung des Vermerks sei obligatorisch.
Nochmals wandte sich der Apotheker an die Kasse und beschrieb die Details des Einzelfalls. Die Patientin habe das Medikament schon oft in exakt dieser Dosierung erhalten, die Ärztin das Kreuz in der Hektik schlicht vergessen. Für ihn sehe es so aus, „als ob die Abrechnungskorrektur die Sanktionierung eines Fehlverhaltens darstelle mit dem Ziel, den Apotheker zu disziplinieren“. Das war im Juni 2010. Im August verrechnete die DAK den Betrag.
Die Klage des Apothekers wurde abgewiesen. Die Lübecker Richter fanden nicht, dass es sich lediglich um ein „formales Fehlverhalten“ handele. Die Prüfpflicht des Apothekers enthalte letztlich ein Abgabeverbot, heißt es im Urteil.
Dass eine Schwangerschaft – und damit die keimschädigende Wirkung des Medikaments – bei der älteren Patienten ausgeschlossen werden konnte, war laut Sozialgericht unerheblich. Die Arzneimittelverschreibungsverordnung gelte „uneingeschränkt und unabhängig von einer konkreten Gefährdung“, so die Richter.
Der Apotheker habe wegen der Missachtung seiner Prüfpflicht keinen Anspruch auf die Vergütung – auch dann nicht, wenn sich die Abgabe nachträglich als sachgerecht erweise. Die Klarstellung der Ärztin half ebenfalls nichts: „Denn die Voraussetzungen für die rechtmäßige Abgabe eines Präparats müssen zum Zeitpunkt der Abgabe vorliegen und können nicht nachträglich korrigiert werden“, so das Gericht.
Auch die Höhe der Retaxation spielt laut Gericht keine Rolle: „Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Kläger erhobenen Einwand der Unverhältnismäßigkeit einer vollständigen Retaxation aufgrund eines Formfehlers“, heißt es in der Urteilsbegründung. Einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit erkannte das Gericht nicht an.
Überhaupt handelt es sich aus Sicht der Sozialrichter bei dem vergessenen Kreuz nicht um einen Formfehler. Die Prüfpflicht zähle vielmehr zu den „elementaren Pflichten im Rahmen der Berufstätigkeit des Apothekers“. Dies gelte auch unabhängig davon, ob der Patient das Arzneimittel bereits in der Vergangenheit erhalten habe. Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Sozialgericht Trier hatte 2012 in einem fast identischen Fall ebenso entschieden: Das fehlende Kreuz kostete den Apotheker 7500 Euro. Dass der Arzt den Hinweis „nach Plan“ auf dem Rezept hinzugefügt hatte, rettete die Apotheken nicht.
Dagegen hat die AOK Bayern ein Verfahren um eine „T-Retax“ verloren, die Kasse musste zurückzahlen. Zur Begründung führten die Richter an, Zweck der Verordnung sei die Sicherheit des Arzneimittelverkehrs. Diese könne aber auch gewährleistet werden, „wenn der Apotheker eigenständig das Erforderliche unternimmt, um Irrtümer zu beheben oder Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften von Seiten des Verordners auszuräumen.“ Da der Apotheker Rücksprache mit dem Arzt gehalten hatte, war der Formfehler aus Sicht des Gerichts nicht entscheidend. Auch dieses Urteil ist rechtskräftig.
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