Sozialgericht kippt Schiedsspruch Alexander Müller, 03.05.2011 12:38 Uhr
Der Kassenabschlag von 1,75 Euro für das Jahr 2009 ist aus Sicht des Sozialgerichts Berlin zu niedrig. In dem soeben verkündeten Urteil haben die Richter die Entscheidung der Schiedsstelle kassiert und eine Neuaufnahme des Schiedsverfahrens angeordnet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aber noch nicht rechtskräftig, die Schiedsstelle wird aller Voraussicht nach in Berufung gehen. Das Sozialgericht hat auch eine Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen.
Der Schiedsspruch enthalte „gravierende Mängel“, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Schiedsstelle habe bei ihrer Entscheidung die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums verletzt. „Insbesondere hat sie sich nicht mit dem Umstand befasst, dass den gestiegenen Personal- und Sachkosten der Apotheken ein deutlich gestiegener Umsatz gegenüberstand“, heißt es in der Begründung.
Nach Auffassung des Gerichts hält der Schiedsspruch einer rechtlichen Prüfung nicht stand: „Der Schiedsspruch verletzt den vom Gesetzgeber für die Anpassung des Apothekenabschlags vorgegebenen Bewertungsmaßstab, wonach es entscheidend darauf ankommt, dass die Summe der Vergütungen für die Leistungen aller Apotheken bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten leistungsgerecht ist.“
Es sei ein „gravierender Fehler“ der Schiedsstelle gewesen, nur die gestiegenen Personal- und Sachkosten der Apotheken zu berücksichtigen, nicht aber auch die Steigerung der Einnahmen durch vermehrte Packungsverkäufe.“
Die Schiedsstelle sei von einem Personalzuwachs von rund 2,4 Prozent zwischen April 2007 und Dezember 2008 ausgegangen und habe daraus die zusätzlichen Kosten ermittelt. Allerdings habe die Schiedsstelle die 3145 zusätzlichen Mitarbeiter allein auf einen erhöhten Beratungsbedarf in den Apotheken zurückgeführt.
Dabei habe sie nicht berücksichtigt, dass im gleichen Zeitraum auch der Umsatz verkaufter Packungen um fast 5,7 Prozent gestiegen sei. „Es ist vor diesem Hintergrund nicht schlüssig, den Personalmehrbedarf nicht auch in Beziehung zum erhöhten Verkaufsaufwand zu setzen“, so das Gericht.
Die von der Schiedsstelle angenommenen Gesamtkostensteigerungen seien ohnehin vollständig von den Erlössteigerungen gedeckt gewesen. Angesichts der im Verhältnis zur Umsatzsteigerung relativ geringen Kostensteigerung hat es sich der Schiedsstelle aufdrängen müssen, dass eine Absenkung des Abschlags um 24 Prozent gegenüber 2008 den gesetzlichen Rahmen verlässt“, heißt es in der Begründung. Mit Blick auf die Erhöhung des Umsatzes wäre eine Absenkung des Abschlags aus Sicht der Richter „nur in deutlich geringeren Umfang gerechtfertigt gewesen“.
Die Schiedsstelle hatte Ende 2009 eine Absenkung des Kassenabschlag von 2,30 Euro auf 1,75 Euro angeordnet. Der GKV-Spitzenverband hatte die Berechnungsgrundlage kritisiert und gegen den Schiedsspruch geklagt. Nach einem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin Brandenburg im Eilverfahren mussten die Kassen die zu viel gezahlten Abschläge vorübergehend an die Apotheken zurückerstatten.