7600 Euro: Retaxiert, geklagt, verzockt Nadine Tröbitscher, 01.06.2017 12:26 Uhr
Nachträgliche Rechnungskürzungen gehören zum Alltag vieler Apotheken, im Extremfall können sie die Existenz bedrohen. Vor den Sozialgerichten siegen meist die Krankenkassen über die Apotheken. So auch in Dessau, wo die Richter die Klage eines Apothekers gegen die AOK abwiesen – obwohl der die Logik auf seiner Seite sah.
Zwischen Herbst 2009 und Sommer 2010 hatte der Apotheker mehrere Rezepte beliefert, auf denen Patienten die Substitutionstherapie Subutex (Buprenorphin) verschrieben worden war. Auf den Verordnungen fehlten sowohl eine Gebrauchsanweisung beziehungsweise der Hinweis „Gemäß schriftlicher Anweisung“ als auch Angaben zur Reichdauer. Die AOK retaxierte auf Null, der Apotheker klagte. Immerhin ging es um 7548,94 Euro.
Der Apotheker verwies darauf, dass Substitutionsmittel in der Regel vom Arzt unter Aufsicht verabreicht würden und dass dabei individuell über die Dosierung entschieden werde. Das Präparat sei stets an den Arzt geliefert worden; sofern es dort im Rahmen des Take-home-Gebrauchs ausgehändigt worden sei, könne dies nicht dem Apotheker zur Last gelegt werden. Insofern habe er lediglich gegen eine „Formalvorschrift“ verstoßen; es sei vom Gesetzgeber nicht gewollt, dass aus solchen Gründen die Versorgung gefährdet werde.
Das Sozialgericht Dessau (SG) folgte dieser Argumentation nicht. Nach § 12 Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) dürfen Verordnungen
nicht beliefert werden, bei denen „Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe oder im Falle, dass dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung übergeben wurde, ein Hinweis auf diese schriftliche Gebrauchsanweisung“ sowie „zusätzlich die Reichdauer des Substitutionsmittels in Tagen“ fehlten.
Diese Angaben seien nicht entbehrlich gewesen, wie der Apotheker vorgetragen hatte. § 9 BtMVV sehe nicht vor, dass die dort aufgeführten Angaben in bestimmten Fällen weggelassen werden könnten oder nicht erforderlich seien, heißt es im Urteil.
Die Richter verwiesen auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) und die gescheiterten Verfassungsbeschwerden der betroffenen Apotheker. Es handele sich insofern um einen „allgemeinen Rechtssatz, dessen Anwendungsbereich nicht auf den konkreten Fall (Verstoß gegen Rabattverträge) beschränkt ist“.
Der Apotheker ärgert sich am meisten über sich selbst – darüber, dass er es auf das Verfahren ankommen lassen hat. Er hätte, wie die anderen Kollegen, die Rezepte „heilen“ sollen und die Dosierung nachtragen lassen. Dann hätte er zwar das Honorar eingebüßt, aber den Einkaufspreis erstattet bekommen.
In Revision wird er nicht gehen, das würde die Kosten nur weiter in die Höhe treiben, sagt er. Der AOK tue das nicht weh, er könne sich permanente Niederlagen vor den Sozialgerichten nicht leisten. Den Kopf werde er nie wieder hinhalten, sondern stattdessen brav zu Kreuze kriechen.