Im Streit um den Kassenabschlag des Jahres 2009 gibt es eine erste Entscheidung. Das Urteil des Sozialgerichts Aachen (SG) ist aber ein Rückschlag für die Apotheker: Sie haben demnach keinen Anspruch auf eine Rückerstattung des kompletten Zwangsrabatts. Das Gericht hat in acht Verfahren die Klagen von vier Apothekern gegen drei Krankenkassen abgewiesen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wurde die Sprungrevision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen.
In den Verfahren geht es um den Kassenabschlag 2009: Nachdem sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband nicht auf einen Betrag einigen konnten, wurde ein Schiedsverfahren eingeleitet. Am 21. Dezember 2009 legte die Schiedsstelle den Kassenabschlag auf 1,75 Euro fest. Dagegen klagte der GKV-Spitzenverband. Am 5. Mai 2010 ordnete das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einem Eilverfahren die sofortige Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung an.
Die Rechenzentren der Apotheker stellten den Kassen noch im Mai 2010 in Sammelrechnungen die Differenz von 55 Cent pro abgegebener Packung in Rechnung. Die Kassen zahlte diese Summe zwar im Frühsommer an die Apotheken, aber nicht alle hielten dabei die 10-Tages-Frist ein.
Die Apotheker forderten daher nachträglich den gesamten Abschlag zurück – auch die 1,75 Euro. In den acht verhandelten Fällen ging es laut Gericht um 72.000 Packungen und somit eine Gesamtsumme von mehr als 126.000 Euro.
Die Richter in Aachen argumentierten, dass es sich bei der Forderungsaufstellung der Rechenzentren nicht um eine Vergütungsrechnung im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB V) gehandelt habe, für die 10-Tages-Frist gilt. Die Aufstellung könne auch nicht in Verbindung mit den ursprünglichen Rechnungen betrachtet werden.
Die Nachberechnung des Vergütungsanspruchs stelle „einen vom Gesetz weder geregelten noch intendierten Sonderfall“ der Abrechnung dar, so die Richter. Die Regelung zur 10-Tages-Frist finde aber nur Anwendung auf standardisierte Abrechnungen. Unterliege jede Abrechnungskorrektur dieser Frist, bestünde eine „unausgewogene Risikoverteilung“.
Die Kassen hätten deshalb die Nachforderung nicht binnen zehn Tagen nach Eingang der Sammelrechnung begleichen müssen, so das Fazit der Richter. Mit der Zahlung von 55 Cent für jede Packung seien die Vergütungsansprüche vollständig erfüllt.
Im Dezember 2013 haben Hunderte Apotheker Klage auf Nachzahlung der 1,75 Euro erhoben. Die Steuerberater des Kanzlei-Verbunds Apo-Audit streben einen Musterprozess an, der sich vor dem Sozialgericht Berlin abzeichnet.
Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hat für seine eigenen Mandaten 516 Klagen gegen Krankenkassen eingereicht. Weitere Kanzleien aus dem Verbund Apo-Audit haben sich an der Aktion beteiligt. Insgesamt gingen bundesweit fast 1000 Klageschriften an die Sozialgerichte. Insgesamt geht es Bellinger zufolge um rund 7,5 Millionen Euro.
Nach Bellingers Recherchen haben etliche große Kassen die Differenz zu spät gezahlt: Der Musterprozess in Berlin soll gegen die AOK Nordost, die Barmer GEK, die Techniker Krankenkasse, die KKH, die DAK Gesundheit, die IKK Classic, die Siemens BKK und die BKK VBU geführt werden.
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