Mit triftigen Gründen können Apotheken Rabattverträge umgehen, ohne Retaxierungen zu befürchten. Dazu zählen die Akutversorgung und pharmazeutische Bedenken. Wegen beidem steht Apotheker Dr. Björn Schittenhelm im Visier der Techniker Krankenkasse (TK). Die Kasse durchforstet offenbar die Rezeptabrechnungen nach Apotheken, die die Sonderkennzeichen häufig nutzen – und meldet Gesprächsbedarf an.
Die Retaxationen sind in den beiden Apotheken von Schittenhelm in den vergangenen Jahren zurückgegangen. „Wir haben kaum noch welche“, sagt der Inhaber der Alamannen- und Schönbuch-Apotheke. Vor neun Jahren übernahm er die Betriebe von seinem Vater. Wie viele Kollegen arbeitet er mit der Rezeptkontrolle eines Rechenzentrums. In dem Programm sieht er den Grund für den Rückgang der Retax-Fälle.
Vor einer Woche schickte die TK einen Brief an Schittenhelm. Man lege großen Wert darauf, dass die Sonderkennzeichen „angemessen eingesetzt werden“, heißt es in dem Schreiben von Tim Steimle, der den Bereich Arzneimittelversorgung leitet. „Nun haben wir ihre aktuellen Rezeptabrechnungen überprüft.“ Die Kasse kündigte an, den Apotheker über die Entwicklung der Verwendung der Sonderkennzeichen in seinen Apotheken informieren zu wollen. „Bitte nehmen Sie sich dann etwas Zeit für uns“, heißt es weiter.
Die TK schreibe regelmäßig Apotheken an, die überdurchschnittlich häufig ein Sonderkennzeichen auf dem Rezept vermerken und biete Gespräche an, sagt ein Sprecher der Kasse. „Ein Ziel ist es, die Apotheken bei ihrer Beratungsarbeit zu unterstützen, da Versicherte häufig auf der Substitution eines Medikamentes bestehen, weil sie unzureichend über die Alternativen aufgeklärt sind.“ Die Zahl der Apotheken, die angeschrieben werden, liegt unter 1 Prozent.
Schittenhelm kann sich bereits denken, um was es geht: In unmittelbarer Nähe der Alamannen-Apotheke befindet sich eine Kinderarztpraxis. „Wir haben öfter Verschreibungen mit Antibiotikasäften. Wenn diese nicht lieferbar sind, können wir die Eltern nicht auf morgen vertrösten.“ Die Sonderkennzeichen würden in den Apotheken so genutzt, wie es vorgegeben sei.
Der Brief lässt den Apotheker kalt: „Ich fühle mich von dem Schreiben nicht persönlich attackiert“, sagt er. Er habe seinen Apothekerverband informiert. „Ich bin demnach wohl einer der ersten, der von der TK angeschrieben wurde“, sagt er. „Beim Gebrauch der Sonderkennzeichen mag es schwarze Schafe geben, wir gehören aber nicht dazu.“ Der Apotheker geht davon aus, dass die Retaxierungen insgesamt rückläufig seien und damit die Einnahmequelle der Kassen schwinde. Andere Kollegen sehen das Vorgehen nicht so entspannt. Sie haben keine Lust, sich nach angemessener Verwendung der Sonderkennzeichen auch noch gegenüber der Kasse rechtfertigen zu müssen.
Auch die AOK meldete sich bereits vor etwa zwei Jahren wegen der Verwendung der Sonderkennzeichen bei ihm. Ein Apotheker sei in die Apotheke gekommen und habe Fallbeispiele mit ihm besprochen, so Schittenhelm. Am Ende sei herausgekommen, dass alles korrekt gewesen sei. Ab 2015 machten AOK und DAK sowie später die Barmer Jagd auf Apotheker, die aus ihrer Sicht zu häufig Bedenken geltend gemacht hatten. Später stand der Einsatz der Sonder-PZN in der Akutversorgung bei der Barmer im Visier.
Ist ein Austausch trotz ausführlicher Beratung nicht möglich und ist die Compliance des Patienten gefährdet, kann die Apotheke eine Einzelfallentscheidung treffen und den Faktor 6 nutzen. Mögliche Gründe können schwierige Indikationen oder Wirkstoffe sein. Wichtig ist – wie auch beim Einsatz von Faktor 5 – die Dokumentation.
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