GOÄ, EBM oder doch kalkuliert? Bei der Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) gab es bis zum Schluss Streit zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband. Noch haben die Kassen nicht entschieden, ob sie gegen den Schiedspruch klagen wollen – einen Monat haben sie Zeit dafür. Um keinen Angriffspunkt zu lassen, hat die Schiedsstelle ausführlich begründet, wie sie die Preise berechnet hat.
Bei der Vergütungen nutzte die Schiedsstelle weder die vom DAV vorgelegte betriebswirtschaftliche Kalkulation für die in Apotheken erbrachten Leistungen, noch orientierte sie sich an der für den PKV-Bereich geltenden Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Vielmehr wurde mit Blick auf eine „möglichst vergleichbare Vergütung vergleichbarer Leistungen“ der im GKV-Bereich einschlägige einheitliche Bewertungsmaßstab für die vertragsärztlichen Leistungen (EBM) zugrunde gelegt. „Dabei wurden der kalkulatorische Arztlohn von 105.000 Euro auf 117.000 Euro angehoben, auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes die Praxiskosten aktualisiert und die Zeiten, die Ärzte im Schnitt für eine Behandlung oder Untersuchung benötigen und die ebenfalls in die Leistungsbewertung einfließen, angepasst.“
Konkret orientierte sich die Schiedsstelle an mehreren Abrechnungsziffern:
Laut Schiedsstelle gab es bis 2021 außerdem einen Konsultationskomplex (03115) für weitere persönliche oder andere Arzt-Patient-Kontakte mit einer Kalkulationszeit von zwei Minuten und einer Bewertung mit 35 Punkten, sodass aus der mindestens zehn Minuten umfassenden Beratungsgebühr auch Beträge für geringere Beratungszeiten abgeleitet werden könnten.
Für die Erstellung der Berichte für den behandelnden Arzt wird die EBM-Position 1600 angesetzt.
Der DAV hatte je Beratungsminute 1,73 Euro vorgeschlagen. Das war laut Schiedsstelle nicht drin, da die dabei zugrunde gelegte EBM-Position 03120 eine „höchstpersönlich vom Arzt zu führende längere Beratung unter Ausschluss telefonischer oder über Videotechnik geführter Kontaktmöglichkeiten“ voraussetzt, die der DAV sich aber offen halten wollte.
Der Schiedsspruch orientiert sich deswegen an der EBM-Position 03230 mit einem für die ärztliche Beratung kalkulierten Betrag von 1,44 Euro pro Minute. In die Bewertung mussten laut Schiedsstelle jedoch auch Unterschiede beim kalkulatorischen Unternehmer- beziehungsweise Arbeitslohn zwischen Arzt und Apotheke berücksichtigt werden. Die Schiedsstelle folgte dabei nicht dem Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes, auf das durchschnittliche Jahresgehalt eines in einer Apotheke angestellten Apothekers zugrunde zu legen. Vielmehr wurde als Vergleichsmaßstab zu einem im Krankenhaus angestellten Oberarzt ein Krankenhausapotheker mit einem kalkulatorischen Arbeitslohn von circa 90.000 Euro herangezogen. „Unter Berücksichtigung der Unschärfen dieser Vergleichsbetrachtung bei niedergelassenen Apotheken resultiert daraus ein als angemessen anzusehender Abschlag von circa 20 Prozent auf den Minutenlohn eines ärztlichen Beratungsgespräches bei der Kalkulation der von einem Apotheker durchgeführten pharmazeutischen Dienstleistungen, das heißt unter Beachtung auch der Preisentwicklung ein Ansatz von 1,17 Euro pro Minute im Juni 2022.“ In diesem Ansatz sind laut Schiedsspruch anteilmäßig auch der Apotheke entstehende Gemeinkosten abgegolten.
Da ein Teil der pharmazeutischen Dienstleistungen auch durch PTA erbracht werden können – „was qualitativ auch zulässig ist“ – musste hier die Vergütung auf 60 Prozent gekürzt werden.
Der Vergütung in Höhe von 90 Euro wurde ein zeitlicher Aufwand von 80 Minuten zugrunde gelegt, von denen fünf bis zehn Minuten mit einem reduzierten Vergütungsanteil von 60 Prozent veranschlagt wurden. Da oft Kombinationspräparate verordnet würden, sei von mehr als fünf zu analysierenden Wirkstoffen auszugehen. „Die Prüfung der von einem Patienten der Apotheke einzureichenden Unterlagen, die daraus erfolgte Arzneimittelerfassung mittels Brown-Bag-Review und die anschließende pharmazeutische Arzneimitteltherapiesicherheits-Prüfung auf arzneimittelbezogene Probleme (ABP) durch einen Apotheker mit anschließender Entwicklung beziehungsweise Anpassung einer Medikationsplanung sind sehr zeitaufwendig“, so die Schiedsstelle. „Sollte sich dieser Zeitaufwand durch den Einsatz computergestützter Auswertungen oder durch eine erweiterte Einbeziehung qualifizierter Mitarbeiter systematisiert reduzieren lassen, wäre der festgesetzte Preis neu zu verhandeln.“
Da es sich im Grunde um dieselbe Leistung handel wie bei der erweiterten Medikationsanalyse, nur eben zugeschnitten auf ein bestimmtes, aber schwerwiegendes Krankheitsbild, wird aufgrund des vergleichbaren Aufwands die gleiche Vergütung in Höhe von 90 Euro festgesetzt. Für das Folgegespräch können bei einer geschätzten Dauer von 15 Minuten 17,55 Euro abgerechnet werden.
Das Inhalationstraining wird bei einer geschätzten Dauer von rund 25 Minuten mit 20 Euro bewertet. Die Schiedsstelle geht davon aus, dass 80 Prozent der Leistungserbringung auf PTA und nur 20 Prozent auf Apotheker entfallen.
Auch hier sieht die Schiedsstelle nur zu 20 Prozent die Approbierten im Einsatz, bei einer Dauer von 14 Minuten werden 11,20 Euro veranschlagt. „Die Dauer der Leistungserbringung resultiert aus der dreifach mit Zeitabständen durchgeführten Blutdruckmessung, der ordnungsgemäßen Dokumentation und Auswertung und der jeweiligen Information des Patienten, sowie gegebenenfalls seiner Beratung.“ Obwohl neben PTA auch „entsprechend geschultes Apothekenpersonal“ eingesetzt werden kann, wurde die Vergütung nicht noch mehr gekürzt, da „die Verantwortung des Apothekers für deren Schulung und Einsatz in der Blutdruckmessung entsprechend größer ist“.
Für die Schiedsstelle ging es nach eigenen Angaben darum, den Apotheken einen Einstieg in dieses neue Tätigkeitsfeld zu schaffen, mit dem der Gesetzgeber die Vor-Ort-Apotheken „gezielt fördern und in ihrer wichtigen Funktion für die qualifizierte Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten stärken“ wollte. Außerdem sei die Belastung für die Krankenkassen begrenzt – einerseits durch die gesetzliche Vorgabe eines maximal verfügbaren Ausschüttungsbetrages, andererseits durch die permanente Evaluation. Über 2023 hinaus gebe es eine schnelle Anpassungsmöglichkeit auch für die bereits festgelegten pharmazeutischen Dienstleistungen sowie die Möglichkeit der Einführung weiterer oder die Streichung bestehender pharmazeutischer Dienstleistungen.
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