SMS aus dem Apotheken-Kühlschrank Yvette Meißner, 26.10.2010 08:56 Uhr
Insuline, Impfstoffe, Biologicals: Rund 3500 in Deutschland zugelassene Arzneimittel müssen kühl gelagert werden, etwa 250 davon sind sogar kühlkettenpflichtig. Arzneimittel mit einem Wert von 8000 bis 12.000 Euro werden Schätzungen zufolge im Schnitt in einem Medikamentenkühlschrank in der Apotheke aufbewahrt. Ist zum Beispiel ein Kinderarzt in der Nähe, der viel impft, können es auch mal 20.000 Euro sein.
Je nach Wert der eingelagerten Kühlware, sind Medikamentenkühlschränke heute regelrechte High-Tech-Geräte, die Temperaturkurven erstellen und bei Stromausfall Alarm auslösen oder sogar SMS verschicken. Nach Einführung der DIN-Norm 58345 vor drei Jahren, haben die Anbieter - so zum Beispiel Philipp Kirsch, BPV, Ferroma sowie Wepa und die Gehe-Tochter Rudolph Spiegel - ihre Kühlschränke technisch aufgerüstet.
Nach der DIN-Norm muss der Kühlschrank eine Betriebstemperatur zwischen zwei und acht Grad Celsius gewährleisten und in einer Umgebungstemperatur zwischen 10 und 35 Grad Celsius einsetzbar sein. Warnvorrichtungen sollen das Überschreiten der Minimal- und Maximal-Temperaturen sowie Stromausfälle optisch und akustisch signalisieren. Mit einer Sicherung werden Arzneimittel gegen Minustemperaturen und damit gegen das Einfrieren geschützt.
Eine offizielle Vorgabe, wie Kühlware in Apotheken zu lagern ist, gibt es allerdings nicht. Laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sind Arzneimittel so aufzubewahren, dass „ihre Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird“. Auch im neuen Entwurf wird nicht näher auf die Lagerung von zu kühlenden Arzneimitteln eingegangen. Selbst in der Satzung für das Qualitätsmanagementsystem (QMS) gibt es keine konkreten Anweisungen.
„Wie eine Apotheke die entsprechenden Arzneimittel lagert und ob sie dafür DIN-Geräte verwendet, prüft der Pharmazierat“, erklärt Michael Albecker, Vertriebsleiter bei Philipp Kirsch. Die Apotheken messen und dokumentieren laut Albecker die Temperatur im Kühlschrank regelmäßig. Mittlerweile muss aber nicht einmal mehr die Tür geöffnet werden, um das Thermometer abzulesen: Per Digitalanzeige geben die Geräte zusätzlich zur aktuellen Temperatur auch Minimum- und Maximum-Werte der vergangenen Stunden an. Doch damit nicht genug: Die Kühlschränke speichern außerdem Türöffnungs- und Kühlzeiten oder Abtauvorgänge.
Damit haben die Apotheker das Werkzeug an der Hand, um eine regelrechte Wissenschaft aus ihrer Kühlware zu machen und sich Diagramme der einzelnen Parameter erstellen zu lassen. „Der Trend, dass Apotheker die Temperaturen im Kühlschrank analysieren wollen, ist unverkennbar“, sagt der Geschäftsführer des Herstellers BPV, Ludgar Vennebusch. In den DIN-Geräten von BPV ist die Messung der Temperatur alle fünf Minuten bereits integriert. Die Software, die den Temperaturverlauf aufzeichnet, werde mittlerweile bei fast jedem dritten Kühlschrank mitbestellt, so Vennebusch.
Je nach Hersteller entstehen für die Software Kosten ab 200 Euro. Doch nicht nur die Kühlschrankhersteller bieten Temperatur-Logger an. Mobile Geräte zur Aufzeichnung gibt es auch in Elektronikgeschäften mitunter für weniger als 100 Euro. Die Sensoren werden in den Kühlschrank gelegt, per Funk und USB-Stick gelangen die Werte auf den Computer.
Mit der Datenaufzeichung kann zwar rückwirkend der Temperaturverlauf geprüft werden. Weicht die Temperatur - zum Beispiel durch Stromausfall - von den Vorgaben ab, müssen die DIN-Kühlschränke mit akustischen und optischen Signalen mindestens zwölf Stunden lang darauf hinweisen. Allerdings: Wird die Stromzufuhr zum Gerät in der Nacht oder am Wochenende für längere Zeit unterbrochen, hilft auch der Daueralarm möglicherweise nicht.
Abhilfe schafft ein Benachrichtigungssystem, dass SMS verschickt, wenn die Temperatur nicht im Normbereich liegt. Kühlschränke nach DIN-Norm sind mit einem potentialfreien Relaiskontakt ausgestattet, zur Datenübertragung wird zusätzlich ein so genanntes GSM-Modul sowie eine Prepaid-Telefonkarte benötigt. Für das GSM-Modul muss mit Anschaffungskosten ab 400 Euro gerechnet werden.
„Dass die Stromzufuhr zum Kühlschrank ausfällt, kommt einmal alle paar Jahre vor. Aber es kann den Apotheker, je nachdem was er im Kühlschrank gelagert hat, teuer zu stehen kommen“, sagt Jürgen Scherle, der die Geschäfte beim Kühlschrankbauer Ferroma leitet. Nach Schätzung der Hersteller lassen sich nur wenige Apotheken bei Problemen mit dem Kühlschrank per SMS benachrichtigen lassen. Das Segment habe allerdings Wachstumspotenzial.
Den Branchenexperten zufolge hat eine Durchschnittsapotheke ein bis zwei Kühlschränke; alle zehn bis 15 Jahre werden die Geräte ausgewechselt. Die kleinsten Kühlschränke mit einem Volumen von 80 Litern werden ab rund 1500 Euro angeboten, größere Geräte bis 600 Liter - oder besondere Bauteile wie eine Tür aus Glas - kosten entsprechend mehr. Mit wesentlichen technischen Neuerungen ist nach Angaben der Hersteller in den kommenden Jahren nicht zu rechnen.