Gesundheitsökonom Professor Dr. Gert Glaeske hat sich einmal darüber gewundert, warum die Apotheker immer die Krankenkasse als Gegner ansehen. Endgegner des Pharmakritikers ist die Pharmaindustrie mit ihren Mondpreisen und den (aus seiner Sicht) oft überflüssigen Kombipräparaten. Mag sein, aber es sind die Kassen, die noch immer unter den fadenscheinigsten Gründen den Apothekern das Geld vorenthalten. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Irgendwann war es sogar der Politik zu viel: Sie stellte den Krankenkassen ein Ultimatum, sich mit den Apothekern auf vernünftige Regeln zur Rezeptprüfung zu verständigen. Zuvor hatten Kassen die Erstattung teilweise fünfstelliger Beträge verweigert, weil der Arzt seinen Vornamen auf dem Rezept mit „F.“ abgekürzt hatte oder das Wort täglich mit „tägl.“ Nicht dokumentiert ausgeschlossene Schwangerschaften bei männlichen Versicherten waren auch so ein Beispiel kreativer Vollabsetzungen.
Also bekam der GKV-Spitzenverband eine Frist gesetzt, sich mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) auf neue Regeln im Rahmenvertrag zu einigen. Das gelang natürlich nicht in bilateralen Gesprächen, weshalb die Schiedsstelle entscheiden musste. Nach Fertigstellung dieses Retax-Deals blieben die ganz extremen Auswüchse zwar aus. Das heißt aber nicht, dass es heute keine absurden Retaxationen mehr gibt.
Da sind die Eltern mit dem fiebernden Kind im Notdienst. Sie bekommen nachts ihr Antibiotikum, weil ein Apotheker für sie da ist. Wenn das Rezept außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten ausgestellt ist, befreien die Krankenkassen ihre Versicherten von der Notdienstgebühr in Höhe von 2,50 Euro. Im aktuellen Fall hatte der behandelnde Arzt das Noctu-Feld auf dem Rezept nicht angekreuzt. Dem Apotheker wurde der Betrag bei der Abrechnung abgezogen.
Wir reden hier von 2,50 Euro. Und von einer – wenn auch vermutlich nicht lebensbedrohlichen – Notsituation im Nachtdienst. Die Familie hätte sogar offensichtlich Anspruch auf Erstattung, hätte der Arzt nur das Kreuz gesetzt. Trotzdem bleibt die Kasse hart. Unterstellt der Rezeptprüfer, dass der Apotheker die Eltern abkassiert hat und sich den Betrag ein zweites Mal von der Kasse erstatten lassen will? Nochmal: Wir reden von 2,50 Euro.
Mit der Not der Patienten braucht man den Kassen in solchen Debatten nicht zu kommen. Die Apotheke müsse die Notdienstgebühr von den gestressten Eltern ja nicht erheben, lautet dann meist das Argument. Ja, und die Kasse müsste die Notdienstgebühr nicht retaxieren. Sie mag formal im Recht sein, aber die Ungerechtigkeit der Szenerie ist mit Händen zu greifen. Daher kommt die Wut des Berufsstandes auf die sogenannten Leistungsträger.
Es herrscht in der Offizin oftmals ein Gefühl vor, mit böser Absicht geschädigt zu werden. Wenn zum Beispiel gefälschte Rezepte retaxiert werden, die quasi nur mit forensischen Methoden enttarnt werden können. Tatsächlich berufen sich die Kassen in solchen Fällen teilweise auf die warnende Berichterstattung über aktuell umtriebige Fälscher. Auch wenn es für uns nett wäre: Eine gesetzliche Verpflichtung zur Lektüre aller Meldungen von APOTHEKE ADHOC gibt es für Apotheken nicht.
Ein Mitarbeiter aus der Rezeptprüfabteilung einer Krankenkasse sagte einmal wörtlich zu mir: Kulanz ist schön, aber ich nehme lieber das Geld.
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