Wartezimmer-TV

Shop Apotheke wirbt in Arztpraxen

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Berlin -

In einer Arztpraxis darf keine Apotheke empfohlen werden, so will es unter anderem die Berufsordnung. In einem Wartezimmer eines Hausarztes in Nordrhein-Westfalen lächelte die Patientinnen und Patienten über einen Bildschirm jetzt aber Günter Jauch an – der Moderator warb für die Shop Apotheke. Dass die Praxis mit dem Inhalt der Reklame auf ihren Bildschirmen nichts zu tun haben will, hebt das Zuweisungsverbot aus Juristensicht nicht auf.

Nach der Werbung wurde ein Einspieler gezeigt, der wegen des grauen Hintergrunds an den Pflichttext bei TV-Werbespots für Arzneimittel erinnert.Screenshot APOTHEKE ADHOC

Oft werden über die Bildschirme im Wartezimmer verschiedene Krankheitsbilder oder Therapieoptionen gezeigt, das Team stellt sich vor oder es wird für Impfungen geworben. In einer Praxis in Nordrhein-Westfalen wurde stattdessen auf die niederländische Shop Apotheke verwiesen. Jauch empfahl in einem Spot den Service des Versenders. Außerdem wurde gezeigt, wie die elektronische Gesundheitskarte (eGK) verwendet wird, um ein E-Rezept einzulösen.

Nach der Werbung wurde ein Disclaimer gezeigt, der wegen des grauen Hintergrunds an den Pflichttext bei TV-Werbespots für Arzneimittel erinnert: „Keine ausdrückliche Empfehlung der Ärztin oder des Arztes“, heißt es auf dem Bildschirm. Auch eine Werbung für DocMorris lief für die wartenden Patientinnen und Patienten.

Die Wettbewerbszentrale sieht solche Inhalte im TV-Programm einer Arztpraxis kritisch: Die Werbung für eine bestimmte Apotheke im Wartezimmer sei „durchaus problematisch“, sagt Rechtsanwältin Christiane Köber. Sie verweist auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf. Darin wird betont, dass eine „Verweisung“ jedes aus Sicht des Patienten als Empfehlung darstellende Verhalten umfasse. Beispielsweise genügt die Benennung bestimmter Leistungsanbieter durch Aufhängen von Plakaten oder Auslegen von Flyern oder Visitenkarten.

„Denn in den Augen des Verbrauchers stellt das natürlich eine Art von Empfehlung dar“, sagt Köber. „Anders als bei Anzeigen in Zeitschriften, die im Wartezimmer ausliegen, wird mancher Verbraucher bei einem TV-Programm doch eher davon ausgehen, dass die Ärztin oder Arzt Einfluss auf den Inhalt haben. Und ob dann der Hinweis, dass es sich nicht um eine Empfehlung des Arztes handelt, ausreicht, um den Empfehlungscharakter auszuräumen, wage ich zu bezweifeln.“

Kammer warnt vor Abmahnung

Ähnlich bewertet die Apothekerkammer Nordrhein den Fall: Die Werbung einer Apotheke im Wartezimmer-TV sei „unzulässig“, sagt ein Sprecher. Nach derzeitiger Einschätzung sei davon auszugehen, „dass Apotheker ebenso wie die beteiligten Ärzte auch in Zukunft Gefahr laufen, standes- beziehungsweise wettbewerbsrechtlich belangt zu werden, wenn sie Werbung für ihren Apothekenbetrieb im Wartezimmer-TV schalten“. Auch die Ärztekammer Nordrhein teile diese Bedenken, so der Sprecher.

Dieser Sichtweise basiert auf der Überlegung, dass das Wartezimmer-TV üblicherweise erkennbar ein individuell zusammengestelltes Programm ist und eben nicht einfach „der Fernseher läuft, ohne dass der Arzt das Programm beeinflussen kann“. Hintergrund dieser rechtlichen Bewertung sei das in § 11 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG) beziehungsweise in § 14 der Berufsordnung (BO) der Ärzte normierte Zuweisungsverbot.

Nach einschlägiger Rechtsprechung beim Bundesgerichtshof (BGH) umfasse der Begriff einer unzulässigen Zuweisung alle Empfehlungen, die eine Ärztin oder ein Arzt den Patientinnen oder Patienten von sich aus erteile. „Dazu zählen etwa die Empfehlung eines bestimmten Anbieters durch Plakate, Flyer, Visitenkarten und Gutscheine oder das Auslegen von Werbematerial des betreffenden Anbieters in der Praxis.“

Auch wenn die Patientin oder der Patient erkennen könne, dass es sich bei dem Inhalt des Werbeblocks nicht um eine Information beziehungsweise Meinung der Ärztin oder des Arztes handele, ändere dies nichts daran, dass man „zumindest eine konkludente Empfehlung des Arztes insoweit sieht, als dieser in ‚seinem‘ Wartezimmer-TV die Werbung bestimmter Anbieter aus dem Gesundheitsbereich ausstrahlt“.

Die Praxis habe auf den Inhalt des ausgestrahlten Programmes Einfluss – die Entscheidung, bestimmte Filme beziehungsweise Werbeblöcke im Programm zu integrieren, stehe ihr frei, genauso frei wie das Auslegen bestimmter Werbematerialien innerhalb der Praxisräume, argumentiert die Kammer. Das sei die Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten.

Disclaimer reicht nicht

Der Disclaimer ist der Kammer zufolge nicht geeignet, die Bedenken in Bezug auf die Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten im Sinne einer ärztlichen Empfehlung auszuräumen.

Die Anbieter von Wartezimmer-TV berufen sich in Bezug auf die rechtliche Zulässigkeit auf ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2015. Zwar hatten die Richter die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, „sich dann aber inhaltlich gar nicht mehr mit den konkreten Verstößen befasst“, so die Kammer.

Vielmehr habe der BGH „bereits aus rein formalen Gründen einen Verstoß verneint, da nur der Arzt oder Apotheker für die Werbung belangt werden können“. Erst wenn gegen einen direkten Teilnehmer ein Urteil erlassen sei, könne man sich an den Anbieter wenden.

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