Antidiskriminierung

Sexuelle Belästigung – was tun?

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Berlin -

Die Unwissenheit bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist hoch. Das geht aus einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Vielen Beschäftigten sei nicht klar, dass jede Form der Aufdringlichkeit im Arbeitskontext – und sei es nur ein Blick – verboten ist. Für den Schutz der Angestellten ist der Inhaber per Gesetz verantwortlich. Problematisch wird es, wenn der Chef der Täter ist.

Ein Blick ins Dekolleté, ein anzüglicher Witz, eine scheinbar zufällige Berührung: Die Antidiskriminierungsstelle unterscheidet drei Arten von sexueller Belästigung. Als verbale Anzüglichkeiten werden etwa sexuelle Bemerkungen, aufdringliche Beleidigungen oder Kommentare zur Kleidung, zweideutige Bemerkungen, Aufforderungen zu intimen Handlungen oder sexualisierte und unangemessene Einladungen verstanden.

Zu non-verbalen Belästigungen zählen aufdringliches, einschüchterndes Starren, Hinterherpfeifen, unangemessene Annäherungsversuche in sozialen Netzwerken, unerwünschte E-Mails mit sexuellem Bezug oder unsittliches Entblößen. Die dritte Kategorie – physisch – umfasst jede unerwünschte Berührung, auch wenn sie scheinbar zufällig geschieht. Auch wiederholte körperliche Annäherungen, wiederholtes Herandrängeln sowie wiederholt die übliche körperliche Distanz, die etwa einer Armlänge entspricht, nicht zu wahren, sind verboten.

Das Unwissen ruft hervor, dass sich viele Betroffene nicht richtig zur Wehr setzen können. Nur ein Fünftel der Beschäftigten wüssten, dass der Arbeitgeber laut Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) alle Angestellten vor sexueller Belästigung schützen muss.

Der Chef muss etwas gegen sexuelle Belästigung tun. Doch was, wenn er selbst die Grenzen überschreitet? Der Rechtsschutz laufe dann teilweise ins Leere, da der Arbeitgeber sich nicht selbst sanktionieren werde, so die Antidiskriminierungsstelle. „Betroffene Personen haben zwar weiterhin einen Schadensersatz- beziehungsweise Entschädigungsanspruch, mittelfristig bleibt der belästigten Person aber oft nur die Kündigung, wenn eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist.“

Die Adexa empfiehlt in diesen Fällen zunächst ein Gespräch zwischen Chef und Angestelltem. Der Arbeitnehmer sollte sich der Situation nicht weiter aussetzen, rät Minou Hansen, Leiterin der Rechtsabteilung. Bei der Apothekengewerkschaft seien bislang keine Fälle sexueller Belästigung eingegangen. „Die einzige Frage, die dazu bei uns ankam, war die Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Kunden. Hier hat diese sich an ihren Arbeitgeber gewandt und von dort die erforderliche Unterstützung erhalten.“

Bei der Antidiskriminierungsstelle sind ebenfalls bisher kaum Fälle aus Apotheken bekannt. Zwei betroffene Frauen hätten sich gemeldet, die von einem Apotheker sexuell belästigt wurden, sagt eine Sprecherin. Insgesamt seien rund 660 Fälle eingegangen. „Diese Zahl lässt aber keine Rückschlüsse auf das Ausmaß sexueller Belästigung in diesem Bereich zu.“ Denn Betroffene wendeten sich häufig nicht an Beratungsstellen. Zudem sei nicht allen bekannt, dass sie das AAG vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schütze.

Der Arbeitgeber soll laut AGG „in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben“. Wird der Inhaber auf einen Fall aufmerksam gemacht, darf er auf geeignete Weise einschreiten und den Täter abmahnen, versetzen und sogar kündigen.

Betroffene haben das Recht, sich bei der zuständigen Stelle wie etwa beim Betriebsrat zu beschweren. Wer das in der Apotheke ist, muss laut AAG deutlich gemacht werden. Der Fall muss geprüft und Betroffene über das Ergebnis informiert werden. Den Mitarbeiter darf der Chef wegen der Beschwerde nicht benachteiligen wie etwa kündigen. Die Antidiskriminierungsstelle rät, Belästigungen so früh wie möglich zu melden. Die Vorfälle sollten dokumentiert werden. Fristen gebe es jedoch keine. Die Zeiten seien jedoch zu berücksichtigen, wenn es um Schadensersatz oder Entschädigung gehe.

Ein „letztes“ Mittel gegen sexuelle Belästigung ist das Leistungsverweigerungsrecht. Angestellte dürfen sich darauf berufen, wenn der Chef nicht hilft oder seine Maßnahmen nicht wirken. Der Inhaber muss das volle Gehalt weiterzahlen, auch wenn der Betroffene nicht mehr zur Arbeit kommt. „In jedem Fall sollte der Arbeitgeber vor der Leistungsverweigerung schriftlich und unter Angabe der Gründe informiert werden.“

Auch Arzt- oder Therapiekosten werden unter Umständen übernommen sowie Schmerzensgeld bezahlt. Arbeitnehmer haben nur ein Anrecht darauf, wenn sie den Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach dem Vorfall schriftlich beim Chef einfordern. Die Antidiskriminierungsstelle rät Betroffenen, sich schon vor einer Beschwerde juristisch zu informieren. Der Bund bietet etwa eine kostenlose Erstberatung an. Erst wenn sexuelle Belästigung strafrechtlich relevant wird wie ein sexueller Übergriff, sollen Betroffene Polizei oder Staatsanwaltschaft einschalten.

Archivbeitrag vom 13. März 2018

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