Notdienst

Senioren kritisieren „bequeme“ Apotheker

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Berlin -

Haßfurt ist ein beschauliches Städtchen, das im östlichen Unterfranken liegt. Eine geplante Änderung beim Apothekennotdienst sorgt nun allerdings für Katastrophenstimmung. Der Haßfurter Seniorenbeirat kritisiert massiv die Entscheidung der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK), zwei Notdienstkreise zusammenzulegen. Die Apotheker würden nur an den eigenen Komfort und nicht an die Menschen denken, sagt der Kommunale Behindertenbeauftragte der Stadt, Michael Schulz.

Sechs Apotheken gibt es in der Kleinstadt mit rund 13.500 Einwohnern. Bisher hatte jede von ihnen alle sechs Wochen je eine Woche lang den Notdienst. Ab Januar 2018 werden zwei Notdienstkreise zusammengelegt, sodass sich ein neuer Rhythmus von je einem Tag Notdienst alle elf Tage ergibt. Kunden aus Haßfurt, die ein Medikament nach den regulären Öffnungszeiten besorgen wollen oder müssen, haben dann unter Umständen einen deutlich längeren Weg ins 15 Kilometer entfernte Ebelsbach.

Der Kommunale Behindertenbeauftragte der Stadt Haßfurt, Michael Schulz, bezeichnete die geplante Änderung beim Apothekennotdienst als Katastrophe. „Wir kämpfen seit Jahren für die Barrierefreiheit in der Stadt“, sagte er gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Zusammenlegung der Notdienstkreise sei ein Rückschlag in diesem Kampf und eine „Riesenbarriere, die aufgebaut wird“. Viele, vor allem ältere Menschen würden extra nach Haßfurt ziehen, weil dort die Infrastruktur, wie beispielsweise die medizinische Versorgung, gut ausgebaut sei. Schulz, der blind ist, hat eigenen Angaben nach genau aus diesen Gründen seinerzeit für einen Wohnort in der Kreisstadt entschieden.

„Wir haben hier alles vor Ort“, schildert er die Versorgungssituation. „Muss man mit dem Taxi fahren, zahlt man für die Fahrten innerhalb der Stadt rund sechs Euro in eine Richtung. Jetzt muss nicht nur ich mit Begleitperson für 40 Euro im Taxi nach Ebelsbach fahren, um mir ein Medikament zu holen,“ skizziert er den künftigen Extremfall. Das gehe ganz schön ins Geld.

Die meisten Apotheker in Haßfurt hätten persönliche Gründe dafür ins Feld geführt, dass sie den bisherigen Notdienst nicht befürworteten, so der Behindertenbeauftragte. Bei einem Runden Tisch mit den Apothekern, den der Seniorenrat angestoßen hat, hätten sich fast alle für die neue Regelung ausgesprochen und ließen sich von den Argumenten der Senioren nicht umstimmen. „Die Apotheker haben sich brüskiert und an den Pranger gestellt gefühlt“, berichtet Schulz.

Dabei hätten sie nur Bequemlichkeitsgründe für die Notdienständerung angeführt. Dafür hat Schulz wenig Verständnis: „Sie beklagten beispielsweise, dass sie in der Woche, in der sie Notdienst zu leisten hatten, nicht an Kulturveranstaltungen teilnehmen könnten, von der Familie getrennt seien oder Nächte auf dem Sofa als unzumutbar empfänden.“ Nur die Apothekerin Doris Zeltner, die in Haßfurt die elterliche Einhorn-Apotheke führt, halte zu ihnen.

Während ihre Kollegen froh sind und die neue Regelung als Entlastung empfinden, befürchtet sie eine größere Belastung für die Patienten. Der Beruf müsse auch Berufung sein, da müssten persönliche Befindlichkeiten auch in den Hintergrund treten, ist Zeltner überzeugt. Durch solche Konflikte werde das Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheken vor Ort zerstört.

Gerade beim letzten Notdienst sei ihr aufgefallen, dass viele der Kunden echte Notfälle seien, auch wenn viele das nicht so empfinden würden. „Natürlich geht es dabei in der Regel nicht um Leben und Tod“, sagt die Apothekerin. Doch für die Eltern, die am Samstag feststellen, dass ihr Kind Läuse hat, zähle eben jeder Tag. Auch bei einem Mann, der üble Blasen an den Fingern hatte und am nächsten Tag arbeiten musste, sei es der Fall gewesen. Die Alleinerziehende, die mit ihrem Kind durch die Nacht fahren muss, um an ein Medikament zu kommen. Die Liste könnte Zeltner endlos fortsetzen.

Zu bedenken geben sowohl die Apothekerin als auch Schulz, dass in Haßfurt die einzige ärztliche Bereitschaftspraxis angesiedelt ist. „Was ist es für ein Armutszeugnis für die Stadt als medizinisches Zentrum im Kreis, wenn man hier nicht noch schnell das verschriebene Medikament besorgen kann, sondern in der Gegend herumfahren muss“, fragt Zeltner. Rund 70 Patienten würden im Durchschnitt am Wochenende von der Bereitschaftspraxis kommen. Außerdem dürfe man nicht unterschätzen, dass die Menschen inzwischen an den jahrzehntelangen Notdienst-Rhythmus gewöhnt seien, ergänzt Schulz.

Sowohl Zeltner als auch Schulz kritisieren zudem das Vorgehen der Landesapothekerkammer. Sie hätte einfach über die Köpfe der Menschen bestimmt, die davon betroffen seien. „Wir waren in die Entscheidung zu keinem Zeitpunkt involviert“, ärgert sich Schulz. „Ich kann nicht verstehen, dass man uns nicht einbezieht, dass man über uns bestimmt, aber nicht mit uns redet.“ Falls Bürgermeister Günther Werner sein Einverständnis erteilt, will der Seniorenbeirat daher Unterschriften gegen die Änderung sammeln.

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