Diebin zieht erneut blank

„Sehr großer Hintern“: Polizei sucht Apothekendiebin

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Berlin -

Die Diebin, die seit mehreren Wochen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit einer dreisten Masche Apotheken und andere Geschäfte bestiehlt, ist weiter auf Tour. Erneut hat sie in Iserlohn und Hemer zugeschlagen, diesmal in einer Apotheke und einer Arztpraxis – in letzterer mit kuriosem Ausgang. Doch die Polizei ist ihr offensichtlich auf der Spur: Mit einem ungewöhnlichen – man kann auch sagen: fragwürdigen – Aufruf sucht sie nach Zeugen. Aber auch der bestohlene Inhaber hat wegen des Zwischenfalls nicht seinen Humor verloren. Er sei sogar froh, dass er ahnungslos war, was die Frau vorhatte.

Wie viele Geschäfte die Frau oder die Frauen bereits bestohlen haben, ist noch unklar – die Zahl dürfte aber bald zweistellig sein. Vor allem Apotheken zählen dabei zu ihrem Beuteschema. Zuletzt traf es die Sonnenapotheke in Hemer, dem Ort im Sauerland, wo sie bereits zuvor Beute gemacht hatte. Kurz nach 11 Uhr betrat sie die Apotheke, um wie so oft mit einem kleinen Artikel das Eis zu brechen. Das gelang ihr auch.

„Sie wollte eine Kleinigkeit, Bonbons oder so etwas, für 1,80 Euro. Ich habe ihr 20 Cent Wechselgeld gegeben, als sie noch eine Packung Tee für 2,80 Euro genommen hat“, erinnert sich Inhaber Dieter Gilsbach an den Ablauf. Plötzlich habe sie aber begonnen, vor ihm ihre Hose herunterzuziehen und wortlos auf vermeintliche Gesäß-Schmerzen hinzuweisen. Hier hätte man schon etwas ahnen können – das konnte Gilsbach allerdings nicht. Denn die Diebstahlserie in seiner Gegend war ihm zuvor unbekannt. „Das Problem ist, dass ich in den letzten Tagen und Wochen unglaublich viel um die Ohren hatte, wir waren nur die Hälfte der Mitarbeiter, sodass ich jeden Tag bis in die Nacht im Akkord gearbeitet habe und nicht mal dazu kam, Zeitung zu lesen. Ich war in jeder Beziehung ahnungslos.“

Also ging er wie jeder gute Apotheker erst einmal davon aus, dass die Frau wirklich Schmerzen am Hintern hatte. Er drehte sich um und ging ins Lager, um ihr eine Wundsalbe zu holen. Diese Sekunde nutzte die Frau, um im Eiltempo hinter den HV zu hechten. Hinter einem Regal, also zwischen Offizin und Backoffice, zog sie blank. „Als ich mich wieder umdrehte, hockte sie vor einem Regal mit Dekorationen und hielt mir ihren blanken Hintern hin“, erzählt Gilsbach. „Wir sind keine Arztpraxis“, habe er ihr – vorerst noch ruhig – gesagt. „Aber sie machte einfach weiter“, sagt der Inhaber. „Ich bin dann etwas lauter geworden und habe ihr gesagt, dass sie nach vorn gehen soll.“ Wieder reagierte sie nicht. „Da habe ich extrem laut gebrüllt, sie solle die Apotheke verlassen. Plötzlich war sie sehr beweglich und ist abgehauen.“

Wie zuvor beim Diebstahl in der Medi-Apotheke Iserlohn dauerte es noch, bis die Sache auffiel: Mit einer Mitarbeiterin führte Gilsbach kurz darauf ein Gespräch über mögliche Diebstähle. Sie wendete ein, dass die Hintertür zum Treppenhaus immer offenstehe, sich Diebe also einfach Zugang zum Backoffice verschaffen könnten, wo Gilsbachs Portemonnaie immer liege. „Da habe ich ihr noch gesagt, dass ich das Portemonnaie heute vorn liegen habe – da fiel es mir direkt ein. Ich schaue rein und kein Schein mehr drin!“ Rund 650 Euro hatte sie aus dem Portemonnaie genommen, 500 davon aus der Apothekenkasse. „Die ganze Hampelei war also nur, um das zu verdecken.“

Allerdings sei er im Endeffekt sogar froh, dass er den Braten in dem Moment noch nicht gerochen hat. „Ich hatte danach zwei Tage lang nur aggressive Gedanken. Dann dachte ich mir aber, dass es gut war, dass ich nichts wusste“, erklärt er. „Was hätte ich denn gemacht? Ich hätte ihr wohl dermaßen in den Hintern getreten, dass sie vor das Regal geflogen wäre“, mutmaßt er. „Mir wäre ja nichts anderes übriggeblieben. In meiner Altersklasse überlebt man nur, wenn der erste Schlag sitzt. Aber was hätte dann in der Zeitung gestanden? 76-jähriger Apotheker tritt Frau k.o.!“

Mit einem Augenzwinkern ist allerdings auch die Polizei im Märkischen Kreis an den Fall herangegangen. Sie sucht sie mit einem Aufruf in sozialen Medien. Mutmaßlich um möglichst viele Menschen zu erreichen, macht sie sich deren Aufmerksamkeitsökonomie zunutze: Ein Symbolbild von einem Gesäß einer offensichtlich stark übergewichtigen Frau ziert den Aufruf. „Sehr großer weißer Hintern gesucht“, steht auf dem Bild, daneben Vorgehensweise und Täterbeschreibung. Die Nutzer quittieren es mit Spott und Humor, nicht nur gegenüber übergewichtigen Gesäßteilen, sondern auch der Polizei: „Der Moment, wenn man erst beim zweiten Lesen bemerkt, dass es nicht der Postillon ist...“, schreibt eine Userin.

Etwas mehr Anhaltspunkte als die bisherigen Täterbeschreibungen, die nicht allzu viel hergeben, weil die Frau sich stets mit einem Kopftuch, einer großen Sonnenbrille und Mundschutz unkenntlich macht, hat die Polizei allerdings mittlerweile. Denn eine weitere Tat am selben Tag verlief weniger erfolgreich für die Diebin – allerdings nicht weniger kurios. Gegen 13 Uhr, also keine zwei Stunden nach dem Diebstahl in der Sonnenapotheke, tauchte die Frau in einer Arztpraxis in Iserlohn auf, wo sie erst vor zwei Wochen eine Apotheke bestohlen hatte. Dort hatte sie sich in einen Privatraum geschlichen und Gegenstände durchsucht, als Praxismitarbeiter sie überraschten.

Die Frau versuchte sofort zu flüchten. Dabei geriet sie in ein Gerangel mit einer Mitarbeiterin, die sie aufhalten wollte. Die Mitarbeiterin verletzte sich dabei leicht an der Hand, konnte der Frau aber ihre Handtasche entreißen. Die Frau konnte trotzdem flüchten, verlor im Flur dann aber noch ihre Schlappen und rannte barfuß weiter. Die Mitarbeiterin blieb ihr auf den Fersen, auch auf der Straße, wo ihr die Diebin auf der Flucht noch einmal klarmachte, was sie von ihren Opfern hält: „Bereits auf der Straße zog die Frau ihre Hose runter und präsentierte der Verfolgerin ihr nacktes Gesäß“, so die Polizeimeldung. Flüchten konnte die Frau dennoch, auch eine sofort eingeleitete Nahbereichsfahndung führte nicht zum Erfolg. In der rosafarbenen Handtasche fand die Polizei zwar keine Papiere, dafür aber mehrere hundert Euro in bar. Gilsbach sagt, er wisse aus verlässlicher Quelle, dass es sich dabei um einen Stapel 50-Euro-Scheine gehandelt hat – die zehn 50er aus der Apotheke, die er mit einer Büroklemme zusammengeheftet im Portemonnaie hatte, ist er sich sicher.

Allerdings: Die Täterbeschreibung stimmt nicht hundertprozentig überein. Die Diebin in Iserlohn scheint jünger gewesen zu sein, die Mitarbeiter schätzen sie auf 20 bis 30 Jahre, während Gilsbert angegeben hatte, sie sei um die 45. „Sie kann aber auch 35 gewesen sein“, sagt er. So oder so zieht er, wieder mit einem Augenzwinkern, seine Lehre aus dem Fall: „In Zukunft sollte es im Pharmaziestudium auch ein Semester Kampfsport geben.“

 

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