Seit bald einem Jahr sucht Apothekerin Heike Kouril-Arlt händeringend einen Nachfolger für ihre Apotheke St. Ulrich im baden-württembergischen Sulzbach. Verschenken wollte sie die Apotheke sogar – doch alle Interessenten sprangen ab. Dann nahm Kouril-Arlt die Dinge wieder selbst in die Hand: Seit dieser Woche bietet sie in der ehemaligen Apotheke eine Schüßler-Beratung an. Und das neue Geschäftsmodell scheint zu funktionieren.
„Immer nur montags“, so Kouril-Arlt, „biete ich die Schüßler-Beratung an, weil ich dann in meiner Hildegard Apotheke im Kaufland eine Vertretung haben“. Schon vor längerer Zeit ist Kouril-Arlt auf die Idee gekommen, die Apotheke St. Ulrich in ein Beratungszentrum umzuwandeln. Der Mietvertrag läuft ohnehin noch weiter. Nur das Apotheken-A muss noch von der ehemaligen Apotheke entfernt werden. „Von 8 bis 18 Uhr biete ich jetzt die Schüßler-Beratung an“, so die Apothekerin. Und nach 18 Uhr liefert sie persönlich die bestellten Schüßler-Salze aus und berät die Kunden auch zu Hause.
Die Hildegard Apotheke verfügt laut Kouril-Arlt über eine Versandhandelserlaubnis: „Dort können meine Kunden die Schüßler-Salze bestellen.“ Weil die Apothekerin schon früher Schüßler-Beratung durchgeführt hat, konnte sie auf ihre Kundendatei zurückgreifen: „Per Mailing und Telefonkontakt habe ich meine Kunden auf den Start der Beratung in der ehemaligen St. Ulrich Apotheke aufmerksam gemacht.“ Immer wieder hätten sie auch Kunden angerufen und selbst nach der Schüßler-Beratung gefragt.
Am Montag erschienen dann auch gleich sechs Kunden zur einstündigen Beratung. „Das lief für mich sehr erfolgreich“, berichtet Kouril-Arlt. Auch die Nachbarn hätten ihr zugewinkt und ihr viel Glück gewünscht. 75 Euro kostet die einstündige Erstberatung, dann jede weitere Beratung 29 Euro. Nur noch einen neuen Namen muss Kouril-Arlt für ihre Geschäftsidee finden. Voraussichtlich soll die ehemalige Apotheke St. Ulrich in Kürze „Sulzbacher Gesundheitshaus“ heißen. Damit kommt für die Apothekerin ein einjähriger Umdenk- und Veränderungsprozess zum Abschluss.
Im Juli 2013 übernahm Kouril-Arlt mit der St. Ulrich Apotheke ihre erste Apotheke, machte sie dann zur Filiale. Auf Facebook und Xing suchte sie seit letztem Oktober eine neue Filialleitung – der Arbeitsvertrag mit dem bisherigen Approbierten war geplatzt. Die Apotheke ist seit dem 4. Oktober 2019 geschlossen. Kouril-Arlt blieb auf den Kosten sitzen.
Eigentlich wollte sie die Apotheke an einen Nachfolger abgeben: „Drei Interessenten haben sich bei mir gemeldet und Besichtigungen vorgenommen“, erzählt Kouril-Arlt. Eine Apothekerin habe zwar „alles ganz toll“ gefunden. Sie könne ihr aber erst im Oktober Bescheid geben, ob sie die Apotheke tatsächlich übernehmen werde. Dann meldete sich ein Apothekerehepaar aus der Umgebung von Sulzbach. Auch das schien zu passen, Kouril-Arlt war hoffnungsvoll. Doch nach einer Bedenkzeit folgte die zweite Absage: Das Risiko war der Apothekerin schließlich doch zu groß – nicht wegen der Wirtschaftsdaten, sondern wegen der Sorge um das Personal, dass sie hätte suchen und finden müssen. Auch ein Apothekerehepaar aus Köln habe sich gemeldet und schließlich abgesagt.
Dabei war die Apotheke St. Ulrich gerade frisch renoviert: „Ich habe noch eine neue Klimaanlage und neue Regale eingebaut und der Kommissionierer ist ebenfalls so gut wie neu.“ Selbst die Unterstützung des Bürgermeisters brachte keinen Erfolg: Dieser bat seine Nichte, aus Frankfurt nach Schwäbisch Gmünd zu kommen. Doch auch sie hatte kein Interesse. Dabei arbeitet die Apotheke St. Ulrich mit einem Jahresumsatz von 1,8 Millionen Euro wirtschaftlich.
Nach der Schließung hat Kouril-Arlt erstmal alle Arzneimittel aus der St. Ulrich Apotheke in ihre Hauptapotheke transportiert. Doch die Kosten liefen weiter: für den Mietvertrag, den Kommissionierer und die Warenwirtschaft – zusammen 9000 Euro monatlich und das noch bis mindestens 2022. Jetzt hofft sie, mit der Schüßler-Salz-Beratung und dem Verkauf der Produkte wenigstens einen Kostendeckungsbeitrag zu erwirtschaften.
APOTHEKE ADHOC Debatte