Schön alt zu sein reicht leider nicht Silvia Meixner, 06.05.2018 13:53 Uhr
Nach zehn Jahren schließt Apotheker Ulrich Doerner zum 30. Juni die Hof-Apotheke in Bad Mergentheim. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass eine Apotheke in einem Kurort in Baden-Württemberg in einem Haus von 1780 nicht eleganter und wirtschaftlich besser liegen könnte. Auf den zweiten Blick offenbaren sich die Probleme des 21. Jahrhunderts.
Die Apotheke hat sozusagen „Postkartenlage“, denn sie befindet sich im rechten der „Zwillingshäuser“ am historischen Marktplatz, die zu den Wahrzeichen der Stadt gehören. Gemeinsam mit dem imposanten Verkehrsamt im linken Haus ist es ein architektonischer Blickfang des Kurortes. Und genau da beginnen die Probleme, denn schön alt bedeutet für Menschen des 21. Jahrhunderts eben oft, dass es ganz schön schwierig sein kann, an den gewünschten Ort zu gelangen. „Ältere Menschen und Kunden mit Kinderwägen kommen nicht über die Stufen“, sagt Doerner.
Die Summe einzelner Probleme hat den Apotheker bewogen, den auf zehn Jahre geschlossenen Pachtvertrag nicht zu verlängern. „Unser Hauptarzt hat im vergangenen September geschlossen, weil er keinen Nachfolger fand“, listet er auf. „Wir haben keine Parkplätze, das ist heute wichtiger denn je für die Kunden. Und in einer neuen Einkaufs-Mall, die rund 400 Meter von uns entfernt ist, hat eine Apotheke eröffnet. Der Konkurrenzkampf in Bad Mergentheim ist in den vergangenen Jahren zunehmend härter geworden.“
Er hat lange überlegt, ob er den Pachtvertrag verlängern soll, die wirtschaftlichen Aspekte haben ihn schließlich überzeugt, künftig nur noch seine ein paar Gehminuten entfernte Rats-Apotheke zu betreiben. Den Abschied sieht er mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Es hat sich gezeigt, dass viele Kunden lieber in die Apotheke gehen, wo der Chef ist.“ Und da auch ein Chef sich nicht zweiteilen kann, hatte er oft 70-Stunden-Wochen.
Das fällt künftig weg. „Es macht keinen Sinn, sich so viel Arbeit aufzubürden, wenn es sich nicht rechnet“, zieht er Bilanz. Und sieht lieber das Positive: „Künftig habe ich nur noch alle 13 Tage Nachtdienst, bisher war es doppelt so oft.“ Damit bleibt dann mehr Zeit für seine Hobbies Laufen und Radfahren.
Doerner ist froh darüber, dass alle acht Mitarbeiter, die zum Teil in Teilzeit bei ihm beschäftigt sind, neue Arbeitsplätze gefunden haben. „Fünf übernehme ich für die Rats-Apotheke, alle anderen haben eine neue Beschäftigung.“ Die Spezialisierung auf Naturheilkunde und das Wissen seiner Mitarbeiter siedeln einfach in die 400 Meter entfernte Rats-Apotheke um.
„Mir tut es um die alte Apotheke leid“, sagt er, „die Einrichtung aus dem Jahr 1912 ist denkmalgeschützt.“ Die Gebäudebesitzer suchen nun nach einem neuen Pächter. „Ein Teeladen würde gut hineinpassen, aber die Pacht ist hoch“, sagt der Apotheker. Seit dem Jahr 1856 befindet sich im rechten Zwillingshaus eine Apotheke, die erst Löwen-Apotheke hieß, 1894 in „Merzsche Apotheke“ und 1913 in „Schmelzers Apotheke“ umbenannt wurde. Als Doerner sie übernahm, taufte er sie in Anlehnung an die erste im Jahr 1537 urkundlich erwähnte Apotheke in Bad Mergentheim „Hof-Apotheke“.
Die Zukunft der Apotheken sieht er trotz der unerfreulichen Schließung positiv: „Apotheken wird es ewig geben. Die Online-Konkurrenz macht uns nicht entbehrlich. Die Apotheken vor Ort, die langfristig übrig bleiben, haben größere Überlebenschancen.“ Seine Lebensphilosophie: „Es geht immer weiter. Wichtig ist, dass meine Mitarbeiter einen Job haben und wir alle gesund bleiben.“