Präsidentenbrief zum VOASG

Schmidt: Besser als nichts

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Berlin -

Seit über einem Jahr hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die Abkehr vom Rx-Versandverbot moderiert. Jetzt kämpft der ABDA-Präsident erneut gegen aufkommende Kritik aus den Mitgliedsorganisationen am Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Besser als nichts und mehr als der Status quo – mit diesen Argumenten wirbt Schmidt um Zustimmung und Unterstützung in einem Brief an Kammern und Verbände. Auf dem Deutschen Apothkertag im September muss sich Schmidt der in verschiedenen Organisationen aufkeimenden Kritik stellen. 

„Ist das Reformpaket inhaltlich gut?“, leitet der ABDA-Präsident seine Argumentation mit einer rhetorischen Frage ein. Die Antwort müsse notwendigerweise nein lauten, „wenn man das Paket an den Idealvorstellungen der Apothekerschaft misst“. Denn dann wäre zukünftig der Rx-Versandhandel verboten, zumindest aber wäre die Gleichpreisigkeit für alle Apotheken und Versender und für jede einzelne Rx-Packung in Deutschland garantiert – natürlich auch rechtssicher abgeschirmt gegen alle Klagen vor deutschen und internationalen Gerichten. Das ist aber nicht der Fall.

Aber Schmidt plädiert für politischen Realismus: „Die Antwort auf die Frage lautet dagegen ja, wenn man das Paket nüchtern am Status Quo misst: Derzeit gibt es keine Gleichpreisigkeit im internationalen Arzneimittelversand“. Das im VOASG enthaltene Rx-Boni-Verbot schaffe aber „einheitliche Abgabepreise für 90 Prozent der Patienten und 90 Prozent des Marktes“. Ausländische Versender dürften an der Versorgung gesetzlich Versicherter nur dann teilnehmen, wenn sie sich strikt an die Arzneimittelpreisverordnung hielten, sonst drohten empfindliche Strafen oder sie könnten aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen werden. Schmidt: „Im Gegensatz zu heute werden Sanktionen damit stärker wirken können. Wir wollen die Sanktionsregeln so wasserdicht wie möglich machen.“

Man müsse auch die wirtschaftliche Dimension des Gesetzespakets betrachten, so Schmidt. Insgesamt sollten 215 Millionen Euro zusätzlich jedes Jahr für die Arzneimittelversorgung zur Verfügung gestellt werden. 150 Millionen Euro sollten die gesetzlichen Krankenkassen für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen bereitstellen. Der Notdienstzuschlag solle von 16 auf 21 Cent pro Rx-Packung erhöht werden, was einem zusätzlichen Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro pro Jahr für Nacht- und Notdienste entspricht. Bei Betäubungsmitteln und anderen dokumentationspflichtigen Medikamenten soll statt 2,91 Euro künftig 4,26 Euro als Dokumentationsgebühr gewährt werden – das Volumen beträgt etwa 15 Millionen Euro pro Jahr. „Entscheidend ist dabei, dass die verbesserte Vergütung Leistungen betrifft, die praktisch nur von Apotheken vor Ort erbracht werden können“, so der ABDA-präsident. Was Schmidt allerdings nicht mehr erwähnt: Spahns erster Plan B enthielt noch ein Honorarangebot von 375 Millionen Euro.

Auch in fachlicher Hinsicht weise das Gesetzespaket in die richtige Richtung, ist Schmidt überzeugt. Jahrzehntelang hätten die Apotheker für neue, hochwertige und patientenzentrierte Dienstleistungen gekämpft. GKV-Versicherte würden nun einen Rechtsanspruch auf bezahlte pharmazeutische Dienstleistungen bekommen. „Auch die Erprobung von GrippeImpfungen durch Apotheken kann darauf einzahlen“, so Schmidt.

Dann wiederholt der ABDA-Präsident seine Einschätzung der politischen Lage für die Apotheker: Der beste Gesetzentwurf nutze nichts, wenn er keine Mehrheit finde und erinnert an den an der SPD gescheiterten Rx-Versandverbot-Gesetzentwurf von Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Das aktuelle Reformtandem aus VOASG und Verordnung habe wegen seines Kompromisscharakters die Kabinettshürde indes geschafft, und auch eine Mehrheit in der Bundestagsabstimmung sei damit wahrscheinlich. Das größere Risiko liegt hier in einem möglichen Auseinanderbrechen der Regierungskoalition vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens. Schmidt: „Eine zügige Verabschiedung ist daher wichtig.“

Chancen sieht der ABDA-Präsident, dass das VOASG die Brüsseler EU-Kommission passiert. Die Regelung zur Gleichpreisigkeit enthalte einen neuen Begründungsansatz, „der die Chance bietet, sie mit zusätzlichen Argumenten zu verteidigen“. Die Regelung sei sozialrechtlich verankert und mit dem Sachleistungs- und dem Solidarprinzip in der GKV-Versorgung begründet. Das Gesetz stütze sich deshalb auch in seiner Begründung ausdrücklich darauf, dass die Ausgestaltung des Gesundheitswesens laut §168 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Domäne der Mitgliedsstaaten sei und damit Ausnahmen von den Regeln des freien Binnenmarktes erlaube, auf deren Einhaltung der EuGH in der Regel poche.

Alternativen zum Reformpaket sieht der ABDA-Präsident keine: Die Chancen auf Umsetzung des Rx-Versandverbotes seien in der laufenden Legislaturperiode noch geringer als 2017. Die gelegentlichen Verlautbarungen einzelner Politiker, die das Versandverbot befürworteten, würden gerne als Indiz angeführt, dass es doch machbar sein müsste, wenn man es nur mit aller Kraft anstrebe. Schmidt: „Doch die notwendigen Mehrheiten sind weder in der Bundesregierung noch im Bundestag auch nur ansatzweise zu erkennen. Und auch im Bundesrat sieht es kaum besser aus.“ Zudem sei die gesellschaftliche Vermittlung eines Versandverbotes immer schwerer geworden.

„In einer solchen Situation strikt auf dem Verbot als Lösungsweg zu beharren, hieße, sich aus dem politischen Gestaltungsprozess zu verabschieden. Die Folge wäre, dass ein Gesetz ohne konstruktive Beteiligung der Apothekerschaft und damit ohne Berücksichtigung ihrer weiteren Interessenlage verabschiedet wird. Im schlimmsten Fall könnte der Prozess so belastet werden, dass er zum Erliegen kommt und der Status quo bleibt: Keine Gleichpreisigkeit, kein zusätzliches Honorar, keine fachliche Perspektive, kein Schutz gegen das großflächige Makeln von E-Rezepten“, warnt Schmidt die Gegner des Kompromisses in den eigenen Reihen.

Das ABDA-Ziel bleibe eine möglichst umfassende Absicherung der Gleichpreisigkeit und die Durchsetzung weiterer Verbesserungen am Gesetzentwurf. Das Versandverbot für rezeptpflichtige Medikamente solle als politische Option für die Zukunft erhalten bleiben, falls die Vor-OrtApotheken durch das derzeitige Gesetzesvorhaben nicht ausreichend gestärkt würden, lässt Schmidt eine Hintertür offen. Die Apotheker müssten jetzt nach vorne schauen, so Schmidt weiter. Nur auf die Bewahrung der Vergangenheit zu setzen, sei keine Alternative. „Weder die politische Situation in Deutschland noch das internationale Umfeld erlauben das länger. Die Europäische Union wird weiterhin stark auf eine Deregulierung der freien Berufe und Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt setzen. Umso wichtiger ist es, dass der Berufsstand sich jetzt gemeinsam für eine zukunftsfähige Apotheke einsetzt, die stark und ‚einfach unverzichtbar‘ ist“, endet der Brief.

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