Charmeoffensive bei Ärzten geplant

Schlimmer Verdacht: Ist Zur Rose doch nicht nett?

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Berlin -

Nun ist die Katze aus dem Sack: Zur Rose will nicht nur Apotheken ihr Geschäft streitig machen, sondern auch den Ärzten. Oder sie jedenfalls auf einer Plattform zu Verordnungssklaven machen. Das kommt bei einem Berufsstand, der schon Impfen in der Offizin als Affront sieht, nicht gut an. Mit einer Charmeoffensive sollte der DocMorris-Mutterkonzern jetzt gegensteuern. ApoRetro – der satirische Wochenrückblick.

Man kann nicht behaupten, Zur Rose habe nicht seit Monaten offen kommuniziert, wohin die Reise gehen soll. Von einem (geschlossenen) Ökosystem war die Rede, von einer Gesundheitsplattform, auf der Leistungserbringer, Kassen und Patienten miteinander vernetzt werden sollen. Und in der Mitte die Versandapotheke, die die Rezepte abfischt und auf diese Weise alle anderen irgendwie mit leben lässt.

CEO Walter Oberhänsli machte noch nicht einmal ein Geheimnis daraus, dass Amazon mit seinen tausenden gesichts- und namenlosen Handlangern das große Vorbild sei. Trennung von Verordnung und Abgabe? Nur ein Relikt in einem 800 Jahre alten Gildesystem, einem ineffizienten System mit zehntausenden Apotheken und Ärzten vor Ort! Makelverbot? Plattformen makeln nicht. Sie dominieren. Kennen keine Regeln, sondern ausschließlich AGB. Sind nur ein Marktplatz, mit wenig Pflichten und vielen Rechten.

Mit der Übernahme von Teleclinic schlägt Zur Rose jetzt allerdings eine riskante Kehrtwende ein. Hatte Max Müller als Strategiechef noch versucht, DocMorris in eine möglichst breite Allianz mit Ärzten, Kassen und anderen Partnern zu führen, hat Oberhänsli nun das Scheckbuch rausgeholt und sich die Videosprechstunde einfach komplett eingekauft. „The winner takes it all“, lautet die Parole. Singular, nicht Plural.

Der Ton ist bereits rauer geworden. „Kooperation statt Konfrontation“, hatte DocMorris-CEO Olaf Heinrich noch vor nicht allzu langer Zeit gesäuselt. „Tod dem Protektionismus“, heißt es jetzt martialisch in einem künstlerisch angehauchten „Zyklus“ auf der Website von Zur Rose. „Entbindung von Preisbindung“, lautet eine weitere Forderung. „Doppelspurigkeiten sind teuer“, eine andere.

Den willfährigen Ärztefunktionären kommt jetzt ein schlimmer Verdacht: Ist DocMorris am Ende doch nicht so nett, wie sie immer gedacht hatten? Sollte der Konzern jetzt tatsächlich auch ihnen das Wasser abgraben wollen? Auf das Hadern der Apotheker mit der Konkurrenz aus dem Netz hatten sie bislang spöttisch geguckt; war doch gut, dass denen mal ein bisschen Feuer unterm Hintern machte. Aber nun sollen auch sie und ihre Kollegen plötzlich zu Erfüllungsgehilfen degradiert werden...?

Um solche düsteren Gedanken im Ansatz zu zerstreuen, braucht Oberhänsli jetzt schnell eine umarmende Vorwärtsbewegung: Ein Riegel Toblerone für jedes E-Rezept, das die Sprechstundenhilfe rüberschickt, wären doch ein netter Anreiz („Rezept-Gipfelstürmer“). Oder ein Gewinnspiel für das „fleißigste“ Praxisteam – als Hauptpreis kämen entsprechend ein Fondue-Set oder ein Taschenmesser in Frage. Die ultimative Variante wäre aber ein emotionaler Knaller: ein Gratis-Welpe für jede Praxis – wer kann einem sympathischen Schweizer Unternehmer noch Gram sein, wenn er in süße Hundeaugen blickt?

Vielleicht legt es Oberhänsli aber auch gerade darauf an, die Ärzte zum Aufstand anzustacheln – nach dem Prinzip hatten doch schon die Apotheker DocMorris überhaupt erst bekannt gemacht. Noch dümmer als breiter Protest wäre nämlich, wenn niemand auf das Geschnatter anspringt. Wenn die Patienten am Ende lieber bei ihrem ganz persönlichen Hausarzt Rat suchen, statt sich in einer Videoschaltung nackt auf die Couch zu legen.

Zugegeben: Corona treibt die Menschen derzeit in die Arme von Versandhändlern und Online-Dienstleistern – aber ausgerechnet Zur Rose konnte davon zuletzt nicht profitieren. In den Apotheken machen sich trotzdem Sorgen breit: Nicht nur dass die Flaute länger anhält als gehofft. Die Rückkehr zur Normalität ist insgesamt ungewiss – viele Kollegen sehen, dass sinkende Kauflaune und soziale Distanz zu Einbrüchen in ganzen Segmenten in Sicht- und Freiwahl führen könnten. Eine aktuelle aposcope-Studie zeigte in dieser Woche: Die Angst vor einer Rezession wächst. Ausgerechnet diejenigen, die in der Krise die Versorgung gesichert haben, könnten nun die Verlierer sein.

Betont optimistisch kommentierte Jörg Wieczorek, Geschäftsführer von Hermes Arzneimittel und Vorsitzender des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) die Zahlen: Auf 10 Prozent Umsatzrückgang müsse die Branche sich einstellen, in einigen Segment vielleicht sogar auf bis zu 30 Prozent. Aber die Apothekenlandschaft werde sich deswegen nicht verändern. „Wir werden alle weniger haben am Jahresende, aber es wird uns nicht schlecht gehen.“

Neue Dienstleistungen sollen ein Weg aus der Krise sein. Einen kleinen Anfang könnten die 12,61 Euro pro Grippeimpfung machen, die im Modellprojekt in Nordrhein gezahlt werden sollen und die die Ärzte schon auf die Palme gebracht haben („Schlag ins Gesicht“). Oder die 5 Euro pro Botendienst, die seit Ende April abgerechnet werden können – was allerdings überraschend selten genutzt wird: Statt der von der Abda geschätzten 450.000 täglichen Botendienste in der Corona-Krise wurden nach ersten Daten von Krankenkassen und Apothekenrechenzentren im Monat Mai nur circa 135.000 pro Tag abgerechnet. Damit müssen die Kassen im ersten Monat nach Einführung der Pauschale für die insgesamt bis zu 2,7 Millionen Botendienste nur 14 Millionen Euro bezahlen – hier ist im betriebswirtschaftlichen Sinn noch Luft nach oben!

Wie man sich bietende Chancen sinnvoll nutzt, zeigt der Akustikspezialist WHD gerade. Das Familienunternehmen aus Deisslingen in Baden-Württemberg hat erkannt, wo in der Krise zusätzlicher Bedarf für seine Produkte entsteht – unter anderem in Apotheken: Weil man hinter Plexiglas (und Mundschutz) den Kunden nur schlecht versteht, hat das Team um Geschäftsführer Stefan Huber im Schnellverfahren eine „Voice Bridge“ entwickelt — eine Art Gegensprechanlage für den Handverkauf. Die wird ihm gerade mit großer Begeisterung abgenommen. Weil die Apotheken auch in schwierigen Zeiten für ihre Kunden vor Ort sind.

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