Notdienste: Tausche heute gegen morgen Katharina Lübke, 29.09.2014 11:40 Uhr
Ab nächstem Jahr werden auch in Schleswig-Holstein die Notdienste vom Computer errechnet. Eine Software der Agentur Cyrano verteilt, wie auch schon in Nordrhein und Westfalen Lippe, die Notdienste anhand von Geodaten. Die Apothekerkammer verspricht sich davon gleich mehrere Vorteile, darunter eine sinkende Belastung für die Apotheker. Zudem können die Dienste von einem Tag auf den anderen beliebig oft getauscht werden.
Die Anzahl der vollen Notdienste ist relativ gleich geblieben. In diesem Jahr sind es 12.654 Dienste, im kommenden Jahr müssen die Apotheken 12.616 leisten. Gerade im Vergleich mit dem Kammerbezirk Nordrhein, wo durch das neue System rund 6000 Dienste wegfallen sollen, ist das wenig.
Dafür wurden die Teildienste, für die es keine Notdienstpauschale gibt, komplett abgeschafft. Davon werden laut Kammer bislang mehrere hundert im Jahr geleistet. Durch den Wegfall werde die Notdienstbelastung insgesamt reduziert. „Wir wollten auf Volldienste umstellen, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten“, sagt Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein.
Durch das neue mathematische System seien die Dienste besser und gerechter in der Fläche verteilt. „Es gibt keine Clusterbildung mehr“, so Jaschkowski. Jedoch tritt eine starke Schwankung in der Häufigkeit der Notdienste pro Apotheke auf. Apotheken seien nicht mehr zyklisch an der Reihe, sondern zu manchen Zeiten gehäuft, zu anderen gar nicht. „Es kann sein, dass eine Apotheke in einem Monat sieben mal Dienst hat und im nächsten gar keinen. Daran muss man sich gewöhnen“, sagt Jaschkowski.
Er erklärt, dass sich Apotheken nicht gleichmäßig verteilten, sondern abhängig von der Besiedlungsdichte. „Manchmal braucht man Ankerapotheken, um ein gleichmäßiges Netz zu ziehen.“ Die Apotheker hätten darauf erstaunt reagiert und manche hätten kein Verständnis gehabt, sagt Jaschkowski. „Wir nehmen das zur Kenntnis und klären auf.“
In den Städten werde die Notdienstbelastung in etwa gleich bleiben, auf dem Land abnehmen. „Es gibt Gewinner und Verlierer.“ Zu den Verlieren gehören etwa die Apotheken im Hamburger „Speckgürtel“: Diese zählen bislang zu Hamburg. Nach Einführung des neuen Systems gehören sie zum Ring Schleswig-Holstein. „Die müssen tendenziell mehr Notdienste leisten“, sagt Jaschkowski.
Eine weitere Neuerung ist der Wegfall einiger Privilegien, wie die Schließungserlaubnis bei zeitweiliger Abwesenheit. Dafür kann mit dem neuen System beliebig getauscht werden – auch von einem Tag auf den nächsten und ohne Fristen und Gebühren, sofern sich bei den von der Software vorgesehenen Apotheken ein Tauschpartner findet. „Früher wurde kaum getauscht“, sagt Jaschkowski. Die Software vereinfache den Prozess. Im gesamten ersten Notdienstjahr kann getauscht werden. „Damit wollen wir die Akzeptanz für das System erhöhen.“
Ein Nachteil an dem neuen System ist, dass es faktisch unmöglich ist, eine sichere Vorhersage zu treffen. Diese braucht es aber, um Notdienstkalender zu drucken. „Das war der Wunsch vieler“, sagt Jaschkowski. 2015 sieht er als Testjahr. Für 2016 könne die Tauschoption noch mal zur Diskussion gestellt und bei Bedarf wieder eingeschränkt werden.
Nicht ganz zufrieden war laut Jaschkowski die Kassenärztliche Vereinigung: Die KV habe darauf hingewiesen, gern in die Gespräche miteinbezogen worden zu sein. Die Ärzte hätten Mitsprache bei der Einteilung gewollt, um sicher zu stellen, dass jede Notarztpraxis eine Notdienst-Apotheke in der Nähe habe, so der Kammergeschäftsführer. „Aber unser Prinzip richtet sich nicht nach der Ärzteorientierung, sondern nach der Flächendeckung.“ Man habe den Ärzten aber ein Gesprächsangebot gemacht.
Mit Schleswig-Holstein führt bereits der dritte Kammerbezirk die Software der Kommunikationsagentur Cyrano aus Münster ein. Den Anfang machte 2012 Westfalen-Lippe, zum Jahresbeginn hat auch der Kammerbezirk Nordrhein umgestellt. Die Agentur verantwortet auch die aktuelle Imagekampagne der ABDA.