Am kommenden Montag gehen die Retax-Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband ins Finale: Zum dritten Mal trifft sich die Retax-Schiedsstelle mit den beiden Parteien. Der unabhängige Vorsitzende der Schiedsstelle, Dr. Rainer Hess, will dabei zu einer einvernehmlichen Lösung kommen. Er hat einen fertigen Schiedsspruch dabei.
Wie die groß Chancen auf eine vom DAV und vom GKV-Spitzenverband gemeinsam getragene Lösung stehen, lässt sich bis heute nur schwer abschätzen. „Es gibt Hoffnung, aber keine Prognose“, so Hess. Der Daumen zeige horizontal. Auch die Beteiligten wollen sich nicht in die Karten gucken lassen. Hess' Vorschlag wurde aber intern diskutiert. Prognosen über den Ausgang gibt es aber ebenfalls nicht.
Kassen und Apotheker stellen jeweils fünf Vertreter. Von seinem Schiedsspruch müsste Hess zumindest eine Seite überzeugen. Mit den Stimmen der drei unabhängigen Vorsitzenden könnte der Kompromiss so erzwungen werden. Lieber wäre ihm eine Einigung. Sollte ein Konsens kommenden Montag nicht gelingen, ist Hess zu einer Verlängerung und einem vierten Treffen bereit – allerdings nur wenn konkrete Aussicht auf Einigung besteht.
Die Anzahl der drei Sitzungen belege die großen Anstrengungen aller Beteiligten, zu einem Konsens zu finden. Aber die Materie sei nach wie vor kompliziert, heißt es aus der Verhandlungsrunde. Angesichts der Fülle der Retax-Einzelfälle sei es sehr schwierig, in allen Details einen Konsens zu erreichen. Ziel ist daher ein Schiedsspruch, der sowohl vom DAV als auch von GKV-Spitzenverband mehrheitlich anerkannt wird.
Auch die Politik wartet gespannt auf den Ausgang des Schiedsverfahren. CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich sieht immerhin „Bewegung auf Seiten der Kassen“. „Wir werden uns den Schiedsspruch ansehen und prüfen, ob es gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt“, so Hennrich. Im Rahmen der AMG-Novelle, die kommende Wochen im Bundestag in erster Lesung beraten wird, könnte die Bundesregierung gegebenenfalls eingreifen.
Bereits im Vorfeld eingeschaltet hatte sich Dr. Roy Kühne (CDU): Der Bundestagsabgeordnete hatte sich in einem offenen Brief an Hess gewandt und Vorschläge zur Abschaffung von Formfehlern gemacht. Außerdem forderte Kühne eine Retax-Friedenspflicht bis zur endgültigen Klärung.
Der CDU-Politiker hatte auch ein Treffen mit Hess vorgeschlagen, um sich in der Sache auszutauschen. Doch der Schiedsstellenvorsitzende lehnte höflich ab. Er wolle in seinem Amt neutral bleiben und bat deshalb um Verständnis, dass es keine bilateralen Gespräche geben werde.
Da Apotheker und Kassen seit Jahren über einen neuen Rahmenvertrag streiten, hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) im Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Ultimatum gestellt: „In dem Rahmenvertrag ist erstmals bis zum 1. Januar 2016 zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt […].“
Die ABDA hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass an diesen Passus noch ein Halbsatz angefügt wurde: „[...] kommt eine Regelung nicht innerhalb der Frist zustande, entscheidet die Schiedsstelle.“ Sehr schnell war letzten Herbst klar, dass man ohne Schiedsstelle überhaupt nicht zu einer Lösung finden würden: Einige Verhandlungsrunden und 48 Tage nach dem Auftrag des Gesetzgebers wurden die Verhandlungen für gescheitert erklärt und die Schiedsstelle unter der Leitung von Hess angerufen.
Dieser hatte die Erwartungen der Apotheker schon kurz nach Beginn des Schiedsverfahren öffentlich gedämpft. Bei Retaxationen wegen nicht beachteter Rabattverträge könnten sich die Apotheker keine Hoffnungen machen. Schließlich müssten die Kassen nur zahlen, wenn die Leistung korrekt erbracht worden sei. Wer ohne Grund den Rabattvertrag missachte, habe das Vertragsverhältnis nicht erfüllt und auch keinen Anspruch auf Vergütung. Das hatte 2013 auch das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt.
Trotzdem geht es Hess zufolge vor allem darum, dass der Patient versorgt wird. Im Notfall sollen Apotheker daher auch ohne Rücksprache mit dem Arzt handeln dürfen: Wenn der Arzt nicht gefunden oder erreicht werden könne, müsse der Apotheker das Präparat abgeben dürfen, so Hess. „Das wäre ein Fall, den wir beim Schiedsamt reinschreiben könnten.“ Apotheker und Patienten müssten die Sicherheit haben, dass das nötige Arzneimittel abgegeben werden dürfe – auch bei Wirkstoffen der Aut-idem-Liste.
Im Schiedsverfahren soll es schon dem Gesetzeswortlaut nach um Formfehler gehen. In der Begründung zum GKV-VSG heißt es, Apotheker sollten in den Fällen vor Retaxationen „auf Null“ geschützt werden, in denen Versicherte das nach den Regelungen des SGB V abzugebende Arzneimittel erhalten haben. „Dadurch unterscheiden sich diese Fälle von denjenigen, in denen Apotheken anstelle eines Rabattvertragsarzneimittels pflichtwidrig ein anderes Arzneimittel abgeben“, heißt es in der Begründung weiter.
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