Viele Retaxationen aufgrund von Formfehlern können künftig leichter vermieden werden: Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat sich mit dem GKV-Spitzenverband auf zahlreiche Anpassungen des Rahmenvertrags geeinigt. Allerdings ist eine Heilung nur in Einzelfällen möglich, wenn die Rezepte bereits zur Abrechnung gegeben wurden. Das ergibt sich aus der Einigung im Schiedsverfahren, die APOTHEKE ADHOC vorliegt. Die neuen Regeln sollen ab Juni gelten.
Die Apotheker erhalten insgesamt mehr Korrekturmöglichkeiten: Sie dürfen fehlende Angaben auf dem Rezept selbst ergänzen, etwa die Betriebsstättennummer des Arztes oder die Kassen-IK. Viele Formfehler können nach Rücksprache mit dem Arzt behoben werden, bei anderen soll eine Retaxationen von vornherein ausgeschlossen sein.
Der Apotheker soll sein Geld trotzdem erhalten, wenn es sich um unbedeutende formale Fehler handelt, die die Arzneimittelsicherheit und Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangieren, und die er vor der Abrechnung behoben hat. Beispielhaft werden im neuen Rahmenvertrag fehlende Abkürzungen sowie Groß- und Kleinschreibung genannt, sofern der verordnende Arzt sowie Art und Menge des Arzneimittels unmissverständlich sind. Auch eine unleserliche Unterschrift des Arztes ist in Ordnung, ebenso erkennbare Irrtümer auf der Verordnung. Die Liste ist bewusst offen gehalten, einen abschließenden „Retaxkatalog“ gibt es nicht.
Nimmt der Apotheker auf dem Rezept selbst Korrekturen vor, muss er dies kennzeichnen. Eine Rücksprache mit dem Arzt kann er sich in bestimmten Fällen sparen, wenn der Patient fehlende Angaben zur Praxis – etwa Name, Berufsbezeichnung, Anschrift oder Telefonnummer – glaubhaft versichern oder sogar anders nachweisen kann. In dringenden Fällen darf der Apotheker das Rezept ebenfalls ohne Rücksprache beliefern – nur beim verordneten Arzneimittel darf es keine Zweifel geben. Der Arzt muss in diesem Fall im Nachhinein vom Apothekenleiter informiert werden.
Eine fehlende Telefonnummer der Praxis soll überhaupt kein Grund mehr für eine Retaxation sein. Sofern der Apotheker den Arzt identifizieren kann, soll es auch auf den Vornamen nicht mehr ankommen. In diesen Fragen hatten sich die Kassen zuletzt schon kulant gezeigt und auf Retaxationen verzichtet. So sieht es auch eine Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) vor. Rezepte über Betäubungsmittel (BtM) werden nicht mehr retaxiert, wenn der Vertretungsarzt den Zusatz „i.V.“ vergessen hat, der Apotheker aber aus Stempel und Unterschrift diese Ungereimtheit nicht erkennen konnte.
Fehlt bei einer Rezeptur die Gebrauchsanweisung, kann der Apotheker diese künftig selbst ergänzen. Zudem darf er die Zuzahlung auch in den Fällen vom Versicherten kassieren, wenn der Arzt fälschlicherweise „gebührenfrei“ auf dem Rezept angekreuzt hat. Bei T-Rezepten führen verrutschte Kreuze nicht mehr zu einer Retaxation, wenn sie zuordnungsfähig sind – was freilich auslegungsfähig ist.
Geht ein Originalrezept verloren, dürfen Apotheker auch sogenannte Duplikate zur Abrechnung einreichen. Diese müssen entsprechend gekennzeichnet sein, um eine doppelte Verordnung auszuschließen. Das Sozialgericht Köln hatte vor zwei Jahren entschieden, dass Apotheker keinen Anspruch auf eine Vergütung durch die Krankenkassen haben, wenn das Original durch ein Feuer vernichtet wurde.
Geregelt wird auch das Verhältnis von Importen und Originalarzneimitteln: Trotz Aut-idem-Kreuz dürfen Apotheken hier substituieren. Dasselbe gilt für namentlich verordnete Arzneimittel, solange das abgegebene nicht teurer ist. DAV und GKV-Spitzenverband haben sich darauf verständigt, ein anders lautendes Urteil des Sozialgerichts Koblenz zu Importen nicht anzuwenden. Zum Aut-idem-Kreuz wurde allgemein noch vereinbart, dass dieses auch handschriftlich gesetzt sein darf.
Gelockert wird auch die Verwendung von Sonder-PZN bei Nichtverfügbarkeit, pharmazeutischen Bedenken oder in der Akutversorgung: Die Angabe der Sonder-PZN reicht ohne weitere Begründung aus, sogar ein Vermerk auf der Verordnung verhindert die Retaxation. Fehlt die Sonder-PZN, kann der Apotheker im Beanstungsverfahren noch Beweise vorlegen, die eine Nichtabgabe von Rabattarzneimitteln begründen.
Verordnet der Arzt ein Vielfaches der größten Packungseinheit mit einer Mengenangabe, dürfen Apotheker diese Rezepte künftig auch ohne zusätzlichen Hinweis des Arztes (Ausrufezeichen, ausgeschriebene Menge) beliefern. Auch für vom Hersteller offiziell falsche Packungsgrößenkennzeichen sollen Apotheker nicht mehr haften.
Eine relativ häufige Ursache von Retaxationen sind abgelaufene Rezepte. Diese dürfen nunmehr auch nach Monatsfrist beliefert werden, wenn der Apotheker mit dem Arzt Rücksprache hält und der Kasse den Grund für die Verzögerung mitteilt. Veraltete Kassen-IK sind ebenso unschädlich. Erteilt die Kasse eine Genehmigung für einen Einzelimport gemäß § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG), darf die Apotheke eine zunächst vergessene Genehmigung künftig nachreichen. Auch die Angabe des Apothekeneinkaufspreises ist nicht mehr retaxrelevant.
Im Rahmenvertrag wird auch festgehalten, dass die Kassen von sich aus auf eine Retaxation verzichten dürfen und der Apotheker ganz oder teilweise vergütet wird. Das wirkt auf den ersten Blick banal, ist mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot der Kassen aber durchaus nicht trivial.
Die Höhe der Vergütung des Apothekers ergibt sich laut Rahmenvertrag aus den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Ist der Preis nicht bestimmt, müssen sich Apotheker und Kassen auf eine Vergütung der Apotheke einigen. Hierzu können ergänzende Verträge auf Landesebene geschlossen werden.
Der Inhalt des Beschlusses wird laut einer gemeinsamen Erklärung der Verbände zum Gegenstand des neu gefassten § 3 Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V. Der Beschluss werde am 31. Mai zugestellt und trete einen Tag später in Kraft, teilten DAV und GKV-Spitzenverband mit.
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