Diese Woche mal kein Porno... Alexander Müller, 15.11.2016 15:09 Uhr
Unfreiwillig berühmt geworden ist die Cleemann-Apotheke in München, weil zur besten Wiesn-Zeit Ende September plötzlich nachts ein Porno im Schaufenster ihrer Apotheke lief. Die TV-Anlage war gehackt worden. Apothekerin Alexandra Cleemann hatte viel Ärger damit. Jetzt tritt sie die Flucht nach vorn an – mit einer witzigen Kampagne.
Eine Zivilstreife der Münchener Polizei stellte gegen 23 Uhr am 28. September fest, dass in der Apotheke am Sendlinger-Tor-Platz auf drei Monitoren ein Pornofilm lief. Cleemann kam noch in der Nacht, um die Monitore auszuschalten. Sie erstattete Anzeige. Die Kriminalpolizei ermittelt noch.
Natürlich schlug das Wellen, sogar die Bild-Zeitung griff den Fall der „Porno-Apotheke“ auf. Cleemann war damals nicht besonders glücklich über die unfreiwillige Aufmerksamkeit, zumal sie erhebliche technische Schwierigkeiten zu bewältigen hatte. Doch jetzt läuft alles wieder und der Ärger ist verflogen.
Heute kann sich Cleemann mit der Geschichte selbst hochnehmen und spielt in ihrer aktuellen Werbung augenzwinkernd darauf an: „Diese Woche mal kein Porno...“ ist auf den Bildschirmen in ihrem Schaufenster zu lesen. Stattdessen bewirbt Cleemann die apothekenexklusiven Kondome von MySize: „Endlich die passende Tüte!“ Auch das Schaufenster hat Cleemann entsprechend dekoriert.
MySize will sich mit Kondome in sieben verschiedenen Größen von der Konkurrenz abheben. Die Idee stammt von Jan Vinzenz Krause, der 2008 mit dem Hersteller R&S Consumer Goods ins Geschäft kam. Cleemann präsentiert das Sortiment in ihrem Schaufenster.
Die Kampagne wird auf den Monitoren im Schaufenster fortgeführt. Dort wird erklärt, dass es für ein passendes Kondom nicht auf die Länge ankommt, sondern auf die Breite und dass so gut wie jede Kondompanne auf unpassende Kondome zurückzuführen sei. 60 bis 80 Prozent der Männer würden ihre Größe aber gar nicht kennen. „Zum Sicherheits- und Lustgewinn passender Kondome frag' also einfach Deinen Arzt, Sexualberater oder APOTHEKER“, ist auf den Monitoren zu lesen.
Mittlerweile ist auch weitgehend geklärt, wie der Porno in die Apotheke kam: Demnach konnte sich der Angreifer ohne Schwierigkeiten in das System einwählen – die Login-Daten wurden zwischen den Werbefilmen offenbar direkt im Display angezeigt. Mit der Identifikation konnten dann die Inhalte auf den Monitoren quasi ferngesteuert geändert werden.
Der Fehler lag Cleemann zufolge laut Polizei aber eindeutig nicht bei ihrem Dienstleister Meditec. Der Marktführer im Bereich Apotheken-TV gehört seit 2014 zum Softwarekonzern CompuGroup Medical. Die Schwachstelle war offenbar der „Teamviewer“, über den die Monitore mit dem System vernetzt sind. Der Zugriff erfolgte dann über ein iPhone, der Besitzer des Smartphones wird noch ermittelt. Jedenfalls hat Cleemann noch nichts anderes gehört.
In der fraglichen Nacht konnte die Apothekerin zunächst nicht mehr tun, als die Monitore abzuschalten. Am nächsten Tag wurde ihr per telefonischer Ferndiagnose geraten, dem ganzen System den Stecker zu ziehen. Beim Versuch des Neustarts hatte sich das Internet komplett verabschiedet – die Apotheke war für mehrere Tage lahmgelegt. Auch die Kartenzahlung war in dieser Zeit nicht möglich.
Weil sich die Telekom Cleemann zufolge lange nicht rührte, bat sie CGM um Hilfe. Das Softwarehaus schickte einen Techniker der Tochterfirma Lauer-Fischer. „Er war sehr nett und kompetent und ist extra nach Memmingen gefahren, um die benötigte Box zu holen“, berichtet Cleemann. Einen kurzfristigen Ausfall habe es danach nur noch einmal gegeben, als der Telekom-Mitarbeiter doch noch unangekündigt vorbeigekommen sei und zuvor offenbar den Anschluss abgeschaltet hatte. Aber auch dies ließ sich schließlich beheben.
Rechtlich hat die Apothekerin wegen der Pornofilme übrigens keine Konsequenzen zu befürchten, sofern sich der Fall nicht wiederholt. Zwar ist die Verbreitung pornografischer Schriften – dazu zählen Videos – laut Strafgesetzbuch verboten. Strafbar macht aber sich nur, wer dies vorsätzlich tut. Die Apothekerin ist ihrer Pflicht nachgekommen, den Anbieter zu kontaktieren und im Zweifel den Stecker zu ziehen. Im Wiederholungsfall müsste sie beweisen, dass sie zumindest versucht hat, dies zu verhindern.