Schaufenster: „Apotheken sollten mutiger sein“ Carolin Bauer, 22.10.2015 11:17 Uhr
Schaufenster sind das Aushängeschild einer Apotheke. Die Hoheit über die Dekoration geben Inhaber an Angestellte oder Dienstleister ab. Oft schicken auch Hersteller spezialisierte Agenturen. Die Anbieter sehen für die Offizin noch Potenzial: Apotheken seien bei der Dekoration ihrer Schaufenster weniger innovativ als andere vergleichbare Branchen, sagt Christoph Schniewind, geschäftsführender Gesellschafter von Reisgen.
Reisgen arbeitet im Auftrag für Unternehmen wie Ratiopharm, Boehringer Ingelheim, Hexal, Novartis und Bionorica sowie für die Drogeriemarktkette Rossmann. Apotheken werden seit der Firmengründung im Jahr 1938 ausgestattet. Derzeit werden regelmäßig rund 5000 Apotheken in Deutschland und Österreich von 150 Mitarbeitern betreut. In diesem Bereich erwirtschaftet das Unternehmen 60 Prozent seines Umsatzes und ist laut eigenen Angaben Marktführer.
Die Kosten werden von der Industrie übernommen. Zusätzlich zum Auftragsgeschäft bietet Reisgen für bis zu zwei Meter breite Schaufenster auch produktunabhängige Dekoration an. Dafür werden 129 Euro fällig, zu Weihnachten 159 Euro. Apotheken seien im Gegensatz zu Optikern oder Parfümerien keine Trendsetter, so Schniewind. Passanten wollten aber „auch beim Thema Gesundheit einen gewissen Lifestyle erleben“.
Schniewind empfiehlt klare Botschaften und wenig Text. „Beim Vorbeigehen hat man vier Sekunden Zeit, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu gewinnen“, betont er. Apotheken sollten die Schaufenster nutzen, um sich etwa im Vergleich zu Drogerien als exklusive Bezugsquelle zu präsentieren. Bei Prävention und Kosmetik gehe es im Vergleich zu OTC-Produkten weniger um Problemlösungen, weshalb die Ware plakativer im Vordergrund stehen sollte.
Auch Heike Leuner, Geschäftsführerin der Dresdner Agentur „Die Macher“, wünscht sich mehr Mut von den Inhabern. Mit ihrer Firma betreut sie regelmäßig acht Apotheken. „Wer auch einmal provoziert, bringt die Passanten zum Stehen“, sagt sie. Schaufenster müssten nicht allen Kunden gefallen. Wichtig sei, dass die Dekoration Aufmerksamkeit erzeuge. Zum Thema Allergie habe sie beispielsweise Schaufensterpuppen mit Gasmasken in ein Fenster gestellt.
Laut Leuner dekorieren viele Apotheken auch noch selbst. Die Werbeexpertin empfiehlt, nicht zu viele Themen auf einmal anzusprechen: Werde der Fokus auf einen Bereich wie Sonnenschutz gelegt, gelinge die Aussage besser. Für die Fernwirkung sollte es einen großen Blickpunkt geben.
Kommen Passanten näher, sollten kleinere Objekte die Aussage belegen. Außerdem seien regelmäßige Wechsel wichtig, idealerweise alle vier bis sechs Wochen. Inhaber sollten die Schaufenster aber wenigstens sechs Mal im Jahr sowie zu den Jahreszeiten neu dekorieren.
Eine großes Schaufenster von bis zu drei Meter Länge kostet bei „Die Macher“ bis zu 350 Euro. Im Preis inbegriffen ist ein Gespräch mit dem Inhaber über aktuelle Aktionen und Produkte. Im Anschluss wird ein Kostenvoranschlag erstellt. Die komplette Abwicklung übernimmt die Firma. Weitere Anbieter sind Dekomotion aus Iserlohn, Lifestyle Deko aus Kelkheim, ApoDeko aus Wuppertal, die für gezielte Aktionen auch leihweise Material für bis zu 189 Euro verschicken. Vor Ort werden 239 Euro fällig.
Apotheken sollten wenn möglich bereits bei der Planung der Offizin die Schaufenster nicht vergessen: „Einige Apotheken machen den Fehler, bei einem Neu- oder Umbau die Regale bis ins Fenster zu ziehen. Kein Mensch will aber Regale sehen“, warnt Schniewind. Außerdem sollte die Lage des Betrachtungswinkels der Fußgänger Aufbau und Struktur bestimmen.
Auch getönte Scheiben seien für die Außenwirkung nachteilig, so Leuner. Außerdem sollten die Flächen zwischen 60 und 80 Zentimeter tief sein, um mit plastischen Objekten arbeiten zu können. Auch die richtige Beleuchtung sei entscheidend.
Komplett auf die Industrie können sich Apotheken aber nicht verlassen: Laut einer Inhaberin aus Sachsen-Anhalt wurde bei den Herstellern mit Dekoration zuletzt gespart. „Eine PKA von mir springt mittlerweile ein“, sagt sie. Reisgen sieht dagegen bereits eine Umkehr: „Wir erleben seit Mitte 2014 einen gewissen Trend dahin, dass die Pharmaindustrie wieder verstärkt auf Dienstleister setzt und nicht länger nur eigene Dekopakete an Apotheke schickt“, sagt Schniewind.
Manche Hersteller verlangten auch Beweisfotos, berichtet ein Apotheker. Erst dann werde die Finanzierung übernommen. Die Firma Orthomol etwa schickt kostenfrei über den Außendienst standardisierte Pakete in Apotheken. Nachweisen müssten die Inhaber die Umsetzung aber nicht, sagt Vertriebsleiter Bodo Lauterbach.
Auch Großhändler geben Dekorationstipps: Otto Geilenkirchen hat im Internet einen Leitfaden für verschiedene Bereiche wie Grippeschutzimpfung, Schnupfen, Hexenschuss, Silvester, Weihnachten, Tee oder Aromatherapie veröffentlicht. Der Privatgroßhändler verweist vor allem auf Objekte, die in das Schaufenster gestellt werden können. Die Sanacorp etwa hat unter dem Motto „Hingucker Schaufenster. Das Aushängeschild Ihrer Apotheke“ für 75 Euro sogar eine Schulung für Angestellte angeboten.
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