Schaufenster vom Profi Silvia Meixner, 08.10.2017 15:03 Uhr
Tote Fliegen, langweilige Deko, ungeputzte Scheiben. Ein Schaufenster ist die Tür zur Seele eines Geschäfts. Hier zeigt sich, ob der Betreiber Phantasie, Humor oder Sachlichkeit bevorzugt. Wer weitergeht, drückt aus, dass nichts ihn festhält. Nur wer stehenbleibt, wird auch eintreten und kaufen. Heike Belgert aus Berlin weiß, wie man Schaufenster so dekoriert, dass die Menschen gern davor innehalten.
Wir haben jetzt Herbst. Dümpeln in Ihrem Schaufenster immer noch die langweiligen Flip Flops unter dem obligatorischen Mini-Billigschirmchen, um irgendwie verzweifelt auf Sonnencreme aufmerksam zu machen? Und die toten Insekten machen Sie, versprochen, bis zur Advent-Dekoration weg? Dann sollten Sie bei Heike Belgert vom Werbeatelier Art Window anrufen. Sie gestaltet seit mehr als einem Vierteljahrhundert Schaufenster von Geschäften, auch Apotheken sind darunter.
„Wenn man durch die Stadt geht, sieht man viele Apotheken, die die Werbung von Herstellern im Schaufenster platzieren. Das finde ich super-penetrant“, sagt sie. Ihr erster Auftraggeber aus der Apothekenszene war vor 15 Jahren die Berlin-Apotheke in Oranienburger Straße.
Hier kommen täglich tausende Berliner und Touristen vorbei. „Der Besitzer hat den Anspruch, dass die Schaufenster klar und strukturiert sein sollen, schnell zu erfassen, sehr innovativ, ohne viel Ware darin. Wir bringen das aktuelle Thema schnell auf den Punkt, machen immer schöne, einprägsame Sprüche dazu. Wenn man zum Beispiel mit dem Rad daran vorbeifährt, muss die Botschaft schnell zu erfassen sein.“
Ein schönes Kompliment ist es, wenn Passanten kommen und fragen, ob die Gegenstände aus dem Schaufenster zu kaufen seien. Zum Thema Sport dekorierte sie zum Beispiel einmal mit Basketbällen, Medizinbällen und der Zeichnung eines Basketballers mit Netz dazu. „Wir verkaufen sie nicht, sie kommen wieder in unseren riesigen Fundus.“ Der befindet sich, angeschlossen an die Werkstatt, am Stadtrand von Berlin und beinhaltet so ziemlich alles, vom Tee-Tässchen bis zum Saunabottich. „Ich weiß nicht, wie viele Gegenstände wir haben, jedenfalls so viele, dass ich mich seit Jahren gegen eine Inventur sträube“, sagt Belgert.
Mittlerweile gibt es auch Apotheken, die auf ein Schaufenster ganz verzichten: „Da steht dann ein Ladenregal oder gar nichts“, sagt Belgert. Als Expertin kann sie das natürlich nicht gutheißen. „Das ist ein völlig falsches Signal, denn es besteht die Gefahr, dass die Leute gar nicht erkennen, dass es sich bei dem Geschäft um eine Apotheke handelt. Man verpasst die Chance, Kundenansprache zu machen.“
Die funktioniert am besten mit einer Mischung aus Information und Esprit. „Die Apotheker geben uns meist ein Thema vor, von Fußpflege bis Erkältung, dabei ist es wichtig, nicht nur einen Hersteller zu favorisieren. Das Signal ist bei allen Schaufenstern gleich: Hier wirst du beraten.“ Kreativität ist vorausgesetzt: „Die Themen wiederholen sich übers Jahr natürlich, aber bei uns bekommt niemand ein Fenster zweimal.“ Sie liebt die Herausforderung: „Je komplizierter der Auftrag, desto schöner für uns, denn umso mehr dürfen wir uns anstrengen.“
Wir, das ist ihr Team, das aus vier Dekorateuren und zwei Auszubildenden besteht. Nachwuchssorgen kennt sie keine: „Wir haben für unsere Azubi-Stellen immer mehr Bewerber als freie Stellen.“ Offiziell heißt der Beruf „Gestalter für visuelles Marketing“. Die wichtigsten Eigenschaften für Interessenten beschreibt sie so: „Man muss schwindelfrei sein und darf auf keinen Fall zwei linke Hände haben. Und man braucht Talent, denn Kreativität kann man nicht lehren. Ein Azubi muss in der Lage sein, eine neue Idee aus irgendeinem Material zu schaffen, er braucht handwerkliches Geschick, ein Gefühl für Farben und Formen. Das wiederum kann man lernen.“
Nur selten liegen sie mit ihren Ideen falsch. „Einmal hatten wir ein bisschen Ärger, weil wir im Schaufenster alles grau gestrichen und mit gelben Eichhörnchen dekoriert hatten. Das war ein totaler Hingucker, aber dem Apotheker war es zu modern. Das nächste Mal waren wir dann wieder unaufgeregter“, erinnert sie sich lächelnd.
Die Kosten für ihre kreativen Dienste sind vernünftig: „Für Idee, Material, Vorbereitung, Anfahrt, Aufbau und einer Standzeit von bis zu vier Wochen stelle ich 430 Euro netto in Rechnung. Jede weitere Woche kostet 35 Euro“, sagt sie.