Defekte: AOK verlangt Doppelnachweis Alexander Müller, 02.09.2016 14:59 Uhr
Die AOK Rheinland/Hamburg hat Apotheken zum Monatsbeginn mit einer „Schattenretaxierung“ in Sachen Nichtverfügbarkeit überrascht. Die Kasse hat die Verwendung der Sonder-PZN für Nichtverfügbarkeit mit den Defektmeldungen der Hersteller verglichen und moniert Abweichungen. Ab sofort verlangt die AOK daher einen direkten Beleg des Herstellers. Alternativ können sich die Apotheken den Engpass von zwei Großhändlern bestätigen lassen.
Die AOK hat nach eigenen Angaben die Abrechnungsdaten für das vierte Quartal 2015 analysiert und einen Abgleich zwischen den Defektmeldungen der Hersteller und verwendeten Sonder-PZN vorgenommen. Dabei sei aufgefallen, dass die von Apotheken für den Abgabezeitpunkt gesetzten Sonderkennzeichen „nicht immer deckungsgleich“ mit den Defektmeldungen oder Zeiträumen des pharmazeutischen Unternehmers waren, so die AOK.
„Um festzustellen, ob das Sonderkennzeichen oder aber die Defektmeldung fehlerhaft ist, müsste die AOK Rheinland/Hamburg entsprechend der vertraglichen Regelungen die unter anderem auch für Ihre Apotheke festgestellten Einzelfälle (siehe beigefügtes Image) über die Rechnungsprüfung beanstanden und von Ihnen den Defektnachweis anfordern“, teilt die Kasse mit. Wegen des damit verbundenen Aufwandes für beide Seiten werde man dies nicht für zurückliegende Zeiträume umsetzen, so die AOK. Deswegen spricht die Kasse in diesem Zusammenhang von „Schattenretaxierung“.
Die Kasse hat jedoch nach eigenem Bekunden ihr Programm zur Abrechnungsprüfung umgestellt. Aufgrund dieser technischen Veränderung erfolge für alle ab September abgegebenen Arzneimittel „ein maschineller Abgleich“ zwischen Defektmeldung des Herstellers und aufgedruckter Sonder-PZN. Mit anderen Worten: Ab sofort wird retaxiert.
Um solche Retaxationen zu vermeiden, sollen die Apotheken zukünftig das Sonderkennzeichen nur dann verwenden, wenn eine Defektmeldung des Herstellers vorliegt. Die Kasse akzeptiert auch eine Defektmeldung des Großhändlers, „sofern diese auf eine Erklärung des pharmazeutischen Unternehmens beruht“. In der Praxis hat das in der Vergangenheit aber immer wieder zu Problemen geführt, weil Hersteller ihre Engpässe oft viel zu spät oder überhaupt nicht kommunizieren und die Großhändler aus Haftungsgründen nur für sich sprechen können.
Die AOK Rheinland/Hamburg bietet Apotheken eine dritte Variante an: „Für den Fall, dass die Nichtlieferfähigkeit ausschließlich durch einen Großhändler verursacht ist, sollten Sie das Sonderkennzeichen nur dann verwenden, wenn Ihnen von einem weiteren Großhändler ebenfalls ein Nachweis der Nichtlieferfähigkeit vorliegt“, schreibt die Kasse.
„Dieser Aufwand, der da von uns verlangt wird, ist doch absoluter Wahnsinn“, findet Apotheker Dr. Christian Meisen. In seiner Windmühlen-Apotheke in Viersen soll der Abgleich ergeben haben, dass aus Sicht der Kasse sechsmal zu Unrecht die Sonder-PZN für Nichtverfügbarkeit aufgedruckt wurde.
Erfreut haben dürfte die AOK viele angeschriebene Apotheker auch mit der Eingangsbemerkung, dass es bei Rabattarzneimitteln vorkommen könne, dass sie nicht lieferfähig sind. Angesichts der aktuellen und teilweise andauernden Ausfälle mehrerer Schnelldreher unter Vertrag ist das zurückhaltend formuliert.
Ein Kollege von Meisen hat bei der Kasse nachgefragt, wie man sich in der Situation zu verhalten habe, wenn der Hersteller sich weigert, einen Defekt zu bestätigen. Er bekam zu Antwort, dass die AOK den Engpass in diesen Fällen nachvollziehen könne, wenn mehrere Großhändler gegenüber Apotheken die Nicht-Lieferfähigkeit bestätigten. Das würde man bei der Rezeptprüfung dann berücksichtigen.
Bei der Kasse konnte sich am Freitagmittag niemand mehr zu der Aktion äußern. Daher ist unklar, mit welchen Daten die Kasse herstellerseitig gearbeitet hat.
Meisen hat sich nicht nur bei der Kasse über das Vorgehen beschwert, sondern auch den Apothekerverband eingeschaltet. Dort war man von dem Vorgehen der Kasse ebenfalls überrascht, berichtet Meisen. Da er selbst Vorstand in der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist, will er das Thema auch dort zur Sprache bringen. In der kommenden Woche trifft man sich zur gemeinsamen Sitzung mit den Kollegen von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL).