„Abzocke oder Beratung – so verarschen uns Apotheken“ lautet der Titel eines Beitrags im Sat.1 Frühstücksfernsehen, in dem die Beratung zum Vorbeugen einer Erkältung getestet wird. Schließlich bestehe der Verdacht, Apotheken drehten den Kunden ganz viel an, was diese gar nicht bräuchten. Vielleicht reichen manchmal auch ein Apfel oder eine Banane – oder die Produkte von Ingo. „Mit denen übersteht man jede Sendung.“
Vorsorge ist besser als Nachsorge, so die Moderatoren der Sendung. Im Test sind neun Apotheken, die mit versteckter Kamera aufgesucht werden. Die Testkäuferin gibt an, gesund zu sein und sich vor einer Ansteckung schützen zu wollen. In der ersten Apotheke wurde der Frau ein Multivitaminpräparat für etwa 26 Euro verkauft. Für den Allgemeinarzt Dr. Peter Karsten, der den Reportern bewertend zur Seite steht, handelt es sich hier um ein „Verkaufsgespräch“, die Beratung hält der Mediziner für unseriös.
Für den Arzt ein Unding, reklamierten Apotheker doch eine „Beratung von fachausgebildeten Menschen“. Sonst könne man ja auch in den Supermarkt gehen, denn dort würden derartige Produkte ebenfalls angeboten. Seit 2012 sei die Beratung in Apotheken Pflicht. Das empfohlene Multivitaminpräparat schütze jedoch pauschal nicht. Denn jedes Jahr seien neue Virusstämme im Umlauf, auf die man sich nicht vorbereiten könne, so der Arzt. Also wird man krank und das könnten auch entsprechende Vitaminpräparate aus der Apotheke nicht verhindern.
Einige Apotheken empfehlen Zink zur Erkältungsprophylaxe. Auch hier hat der Mediziner einen Einwand: „Normalerweise hilft Zink nicht.“ Den Grund liefert er dazu: Die Menschen hätten keinen Mangel. Wer kein Defizit habe und dennoch etwas einnehme, habe nichts davon. Auch Vitamin C muss laut Karsten nicht substituiert werden – ein Apfel oder eine Orange seien besser als eine Tablette.
Die „negativ krasseste Beratung“ erhielt die Sat.1-Testkäuferin bei der Empfehlung für ein Erkältungsspray, eine Händedesinfektion und ein Vitaminpräparat. Das Spray solle vor einer Tröpfcheninfektion schützen, erklärt das pharmazeutische Personal. Karsten hält „überhaupt nichts“ von dem Produkt: Es sei nicht belegt, dass das Produkt überhaupt irgendwas bewege. „Die Kuh muss gemolken werden“, stellt der Mediziner fest. Hier wäre die Dame viel Geld losgeworden, ein Spray und dann noch etwa für das Immunsystem oben drauf – „die krasseste Beratung“, so Krause.
Nur eine Apotheke konnte im Test überzeugen. Diese wollte nichts verkaufen und riet zu ausgewogener Ernährung und Spaziergängen an der frischen Luft. Eine Prophylaxe sei schwierig, gab die – entweder vorab gebriefte oder ziemlich altruistische – Apotheke zu bedenken. Acht der neun Apotheken konnten jedoch nicht überzeugen und verkauften Produkte zwischen 11 und 26 Euro.
Produkte zur Erkältungsprophylaxe wurden erst vor Kurzem im Spiegel zerrissen. Hier stand der Pharmakologe Professor Dr. Gerd Glaeske bewertend zur Seite. In der Kritik stand neben Algovir auch das Konkurrenzprodukt Viruprotect. Die Autoren des Artikels stellten die Frage: „Sind die neuen Sprays also die Lösung für die Januar-Erkältung? Oder nur eine gewiefte Art, auf einem Milliardenmarkt Anteile abzugreifen?“ Glaeske hatte dazu eine klare Meinung: „Die Studienlage ist dürftig.“ Die Lage sei womöglich ernst, denn „es gibt sogar theoretische Überlegungen, das Algovir mit seinem Inhaltsstoff bei längerer vorbeugender Anwendung schaden könnte“, wurde der Pharmakologe zitiert. Eine Begründung liefert er nicht – was insbesondere den Hersteller Hermes sehr verwundert hat.
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