Die Einführung von Grippeimpfungen in Apotheken ab Herbst könnte vor allem von der Bereitschaft der Hersteller abhängen, ausreichend Impfstoff auf eigenes Risiko zu produzieren. Sanofi kündigt an, dass ausreichend Dosen zur Verfügung stehen werden.
Nicht nur für die Apotheken sind Grippeimpfungen eine Chance, sondern auch für die Hersteller. Denn für sie erschließt sich ein neuer Vertriebskanal. Bislang war der Markt fest verteilt, eine Handvoll Unternehmen ringt alljährlich um die Gunst der Praxen:
Kommen die Apotheken hinzu, könnten die Karten neu gemischt werden. Allerdings müssen die Unternehmen dabei auf eigenes Risiko gehen. Denn die Bestellfrist ist nach mehrfacher Verlängerung Ende April abgelaufen, sodass keine Aufträge mehr angenommen werden. Die Herstellung ist komplex und dauert vier bis fünf Monate, ein kurzfristiges Nachproduzieren ist nicht möglich. Ohnehin dürften sich auf absehbare Zeit die wenigsten Apotheken zutrauen, ihren Bedarf abzuschätzen und das Risiko auf sich zu nehmen.
Sanofi ist offenbar bereit, diesen Weg zu gehen. „Wir können versichern, dass alle Apotheken die Möglichkeit haben werden, ausreichend Impfstoff zu bestellen“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Man habe ausreichend Mengen eingeplant und werde den zusätzlichen Bedarf bedienen können.
Die Zusage dürfte dem Konzern leichter fallen als anderen Herstellern. Mit dem Hochdosisimpfstoff Efluelda hat Sanofi ein Alleinstellungsmerkmal in der Gruppe der über 60-Jährigen, auch wenn die Standardimpfstoffe in der kommenden Saison gemäß Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) erneut auch bei den Älteren eingesetzt werden können. Damit einher gehen dürfte die breiteste Distribution, wie auch eine Umfrage von apsocope zeigte. Die anderen Impfstoffe werden eher nach Vorliebe des Arztes bestellt.
Noch will man sich bei Sanofi nicht zu Details äußern; der Konzern dürfte aber die Impfquoten in den Modellregionen genau analysiert haben, um den Bedarf der Apotheken grob abschätzen zu können. Zugute kommt den Herstellern, dass die Zusammensetzung sich kaum von der im Vorjahr unterscheidet. Bei Sanofi hat die Produktion entsprechend bereits begonnen.
Theoretisch könnten die Apotheken auch aus der zusätzlichen Reserve von 10 Prozent versorgt werden, die die Hersteller über die georderte Menge hinaus produzieren müssen. Allerdings könnten diese Bestände auch an anderer Stelle benötigt werden: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatte bereits gewarnt, dass zu wenig Impfstoff bestellt worden sei. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat diesmal keine nationale Reserve angelegt, nachdem im vergangenen Jahr erneut knapp sieben Millionen Dosen zusätzlich bestellt wurden.
Zusammen mit der Reserve der Hersteller von damals noch 30 Prozent ergab sich für 2021/22 sich eine Gesamtmenge von knapp 34 Millionen Dosen, die freigegeben wurden. 2020/21 standen rund 26 Millionen Dosen zur Verfügung, von denen wegen verspäteter Auslieferungen aber ein größerer Teil am Ende nicht mehr genutzt werden konnte. Vor Beginn der Corona-Pandemie wurden pro Jahr zwischen 15 und 20 Millionen Dosen freigegeben.
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), geht davon aus, dass erst im September endgültige Klarheit besteht. „Wir können den Kolleginnen und Kollegen nur raten, auch erst dann zu bestellen.“ Damit ist für den Verbandschef klar: „Wir brauchen noch eine Bestellrunde für die Apotheken. Und wir erwarten von der Politik und den Herstellern, dass sie dann Kontingente bereitstellen.“
Im Kammerbezirk Nordrhein läuft bereits erfolgreich ein Modellprojekt mit der AOK Rheinland/Hamburg zur Grippeimpfung in Apotheken. Etwa 530 Apotheken an Rhein und Ruhr bieten den Service an. Preis geht davon aus, dass sich die Zahl der Grippeimpfungen in Apotheken um den Faktor 10 bis 20 steigern lässt, wenn der Service allen Versicherten angeboten werden kann.
APOTHEKE ADHOC Debatte