Versandhandel

Ärger für den Festivalapotheker

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Berlin -

High Noon in Sachsen-Anhalt: Apotheker Michael Spiegel hat Ärger mit einem Wohnmobil bei Festivals auf dem Ferropolis-Gelände. Dort ist er schon seit 2011 präsent, doch jetzt ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob der Chef der Linden-Apotheke womöglich eine illegale Offizin ohne behördliche Erlaubnis betreibt.

„Gräfenhainichen hat 7000 Einwohner. Zu einem Festival kommen bis zu 25.000 Besucher auf das Ferropolis-Gelände. An mindestens zwei Wochenenden im Jahr vervierfacht sich also mindestens die Einwohnerzahl“, erläutert Spiegel den Grund für sein Engagement. Die Besucher wollten nach Möglichkeit das Festivalgelände nicht verlassen. Und die wenigsten seien nach Alkohol-oder Drogenkonsum überhaupt noch in der Lage, in eine Apotheke zu fahren.

„Seit 2009 hatten wir erste Anfragen von den Rettungssanitätern vor Ort. Sie hätten hier eine Versorgungslücke, die sie allein nicht schließen könnten“, berichtet Spiegel. Um die Versorgung mit Medikamenten sicherzustellen, habe eine Lösung gefunden werden müssen. So sei die Idee einer Festival-Apotheke entstanden, offiziell als Versandableger seiner Linden-Apotheke. Schon seit 2011 steht jeweils zu den Festivals Melt und Splash ein Wohnmobil als Außenposten neben dem Zelt des Deutschen Roten Kreuzes.

Die Betreiber der Sonnen-Apotheke in Dessau-Roßlau haben davon erst vor Kurzem über einen Bekannten erfahren. „Das ist eine illegale Apotheke, dafür wird eine Betriebserlaubnis benötigt“, ist sich Pharmazieökonomin Ines Holzgräbe-Dargel sicher. Schließlich dürfe außerhalb von Apotheken kein Handel mit Arzneimitteln betrieben werden, da sei die Rechtslage ganz eindeutig. „Aber wir haben gehört, dass hier auch schon die Pille danach verkauft worden ist.“ Spiegel sei selbst im Auftrag der Landesapothekerkammer als Testkäufer in anderen Apotheken unterwegs, da müsse er es rechtlich eigentlich ganz genau nehmen, findet Holzgräbe-Dargel.

Vor Ort würden ausschließlich Nicht-Arzneimittel wie Mücken- oder Sonnenschutz bevorratet, sagt dagegen Spiegel. „Es werden keine apothekenpflichtigen Medikamente aus dem Wohnwagen heraus verkauft. Mir ist völlig bewusst, dass das nicht geht.“ Die Arzneimittel gäbe es ausschließlich auf Bestellung über Telefon oder die Website. „Dann holen wir das entsprechende Mittel in längstens zwei Stunden aus der sieben Kilometer entfernten Linden-Apotheke und liefern es an den Wohnwagen“, sagt Spiegel. Dazu könne man die Versorgungswege nutzen und müsse nicht durchs Festivalgetümmel.

„Die Leute reagieren häufig mit Unverständnis, dass sie die Mittel nicht direkt im Fahrzeug bekommen, das müssen wir ihnen immer erklären. Erst recht in der aktuellen politischen Lage würde ich es gerne unter dem Label ‚Deine Apotheke vor Ort‘ kommunizieren. Es ist schade, dass ich diesen Umweg über die Versandhandelserlaubnis erst gehen musste.“

Geliefert wird zu Festivalzeiten am Freitag zwischen 18 und 24 Uhr und Samstag und Sonntag zwischen 12 und 24 Uhr, jeweils im Stunden-Takt. „Die Zeiten haben wir bewusst gewählt, weil sie größtenteils außerhalb der normalen Öffnungszeiten der lokalen Apotheken liegen.“

Betroffen seien die Kollegen dennoch, meint dagegen Holzgräbe-Dargel. „Eine Kollegin, die einen Notdienst während des Festivals betreut, hat wegen der Festival-Apotheke keine Einnahmen mehr und bleibt auf den Personalkosten sitzen.“ Er wolle den anderen Kollegen nichts wegnehmen, beteuert dagegen Spiegel. Lukrativ sei das Ganze ohnehin nicht: „Die Kosten werde ich wohl nie im Leben herausholen, auch wenn meine Mitarbeiter und ich hier alle ehrenamtlich arbeiten.“

Der Vorwurf, nur er werde berücksichtigt, weil er im Beirat des Ferropolis sitze, sei völlig unsinnig. „Bei den Veranstaltern ist bislang keine Anfrage von anderen Apothekern eingegangen. Ich wäre dafür sehr offen gewesen und hätte gar kein Problem, die Festivalversorgung mit anderen zu teilen. Ich habe drei kleine Kinder, und die sind nicht so glücklich, wenn sie mich an den Wochenenden nur beim Frühstück sehen.“

Spiegel sagt, er habe sein Vorhaben vorab sowohl mit dem Landesverwaltungsamt als auch mit der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt rechtlich geklärt und von beiden Institutionen grünes Licht erhalten. Bei der Apothekerkammer sei der Justitiar von Anfang an mit im Boot gewesen. Eine offizielle Genehmigung sei freilich schwierig, sei ihm in den Gesprächen bedeutet worden. „Man hatte Sorge, die Zustimmung für etwas zu geben, von dem man nicht wusste, was der nächste Apotheker daraus macht.“

Das Landesverwaltungsamt mochte die Darstellung des Apothekers so nicht bestätigen. „Davon wissen wir nichts, wir können es aber auch nicht dementieren“, sagt Denise Vopel, die Leiterin der Stabsstelle Kommunikation. Der Fall liegt jetzt bei der Apothekenaufsicht. „Der Vorgang ist in Prüfung.“

Auch die Apothekerkammer bestätigt Spiegels Darstellung so nicht. „Das war bislang nicht genehmigt, auf keinen Fall“, betont Geschäftsführerin Dr. Christine Heinrich. „Bis zu dieser Woche wussten wir davon auch nichts.“ Doch mehr mag sich die Kammer nicht entlocken lassen, solange die interne Prüfung nicht abgeschlossen ist.

Spiegel bedauert, seine Version nicht beweisen zu können. „Ich wusste, dass dieser Tag irgendwann mal kommen würde. Wir können mit einer positiven wie negativen Entscheidung leben.“ So oder so sei er bereit, anderen Festivalorganisatoren und Apothekern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Für mich ist das ein Open-Source-Projekt, jeder soll davon profitieren können.“

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