Rx-Boni: BGH verhandelt über Ofenkrusti dpa/APOTHEKE ADHOC, 28.03.2019 08:07 Uhr
Apotheker drücken ihren Kunden gern eine kleine Aufmerksamkeit in die Hand – was dabei erlaubt ist und was nicht,
klärt am Donnerstag (9.00 Uhr) der Bundesgerichtshof (BGH). In einer Apotheke in Darmstadt gab es zum Medikament einen Brötchen-Gutschein für die nahe Bäckerei. Kunden einer Berliner Apotheke bekamen einen Ein-Euro-Gutschein für den nächsten Einkauf. In beiden Fällen will die Wettbewerbszentrale das untersagen lassen.
Im September 2010 hatte der BGH entschieden, dass Rx-Boni unterhalb einer gewissen Bagatellgrenze wettbewerbsrechtlich nicht anzugreifen sind. Das Urteil sorgte für vorübergehende Verwirrung, später stellte der Vorsitzende Richter Professor Dr. Joachim Bornkamm im Interview mit APOTHEKE ADHOC klar, dass sämtliche Verstöße gegen die Preisbindung berufsrechtlich geahndet werden können.
Später wurde gesetzlich klargestellt, dass die Preisbindung keine Ausnahmen zulässt. Im Darmstädter Fall erklärten die Gerichte der Vorinstanzen den Brötchen-Gutschein deshalb für unzulässig. Das Berliner Kammergericht hielt den Ein-Euro-Gutschein nicht für wettbewerbswidrig. Das letzte Wort hat jetzt der BGH. Die Karlsruher Richter können ihr Urteil gleich am Verhandlungstag verkünden oder erst zu einem späteren Termin.
Seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober wachen die Kammern akribisch darüber, dass im Inland die Preisbindung für Arzneimittel hält. Zuletzt hatte sich der BGH mit der Frage der Inländerdiskriminierung befasst. Doch die Karlsruher Richter sahen im Verfahren um ein Bonus-Modell der Versandapotheke Apotal keine Notwendigkeit, Boni für alle zuzulassen. Zwar seien ausländische Versender seit der EuGH-Entscheidung privilegiert, der deutsche Gesetzgeber könne die Preisbindung im Inland aber immer noch mit der flächendeckenden Versorgung rechtfertigen. Erst wenn diese durch „Holland-Boni“ gefährdet wäre, hätte eine Klage demnach Aussicht auf Erfolg.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wird sich mit der Frage befassen, ob man deutschen Apotheken die Gewährung von Rx-Boni verbieten darf, wenn dies ausländischen Versendern erlaubt ist. Inländerdiskriminierung lautet das Stichwort. Im Ausgangsstreit ging es um ein Paar Kuschelsocken.
Trotz aller Appelle an die „Solidarität der Apotheker“ und damit verbundener Mahnungen gibt es Rx-Preisbrecher: Die Bären-Apotheke in Ratingen versprach ihren Kunden als Gegenleistung für die Abgabe eines Rezeptes eine Werkzeugbox. In den Wir leben-Apotheken von Dirk Düvel erhielten die Kunden für jeden Besuch einen Wertgutschein in Höhe von 50 Cent. Der Fall rief eine Kollegin sowie die Kammer auf den Plan. Später wurde das Modell eingestellt; zuvor hatte das Landgericht Lüneburg Wertgutscheine von 50 Cent für den Besuch einer Apotheke für zulässig erklärt.
Im Frühjahr 2018 erklärte das Berliner Kammergericht, dass Gutscheine im Wert von einem Euro nicht verboten werden können, solange die Apotheken Umschau kostenlos abgegeben wird. In der Urteilsbegründung legte das Gericht dar, warum es die bisherige Rechtsprechung zu geringwertigen Rx-Boni für falsch hält.
Derweil hat der BGH in einem anderen Verfahren dafür gesorgt, dass sich der EuGH wohl noch einmal mit den Rx-Boni von DocMorris befassen muss. Das OLG Köln verbot die Freundschaftswerbung von DocMorris. Hier rechnete man damit, dass der BGH, dessen Rechtssprechung zu Rx-Boni sechs Jahre lang eindeutig war, sich in dem Fall zu den neuen Vorzeichen äußern oder den Fall sogar beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen würde. Doch im November 2017 verwiesen die Richter aus Karlsruhe die Sache aus formalen Gründen zurück, ohne sich inhaltlich mit der Zulässigkeit von Rx-Boni zu beschäftigen.
Aus Sicht des BGH kann – auch nach dem EuGH-Urteil – nicht abschließend beurteilt werden, ob die deutsche Rx-Festpreisbindung mit EU-Recht vereinbar ist. Daher hätte das OLG kein Teilurteil erlassen dürfen. Das hängt aus Sicht der Richter damit zusammen, dass die Entscheidung zu den Rx-Boni von DocMorris „maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen“ beruhte. Aus Sicht des BGH konnte der EuGH nicht alle Hintergründe kennen – weil das OLG Düsseldorf im damaligen Vorlageverfahren sie nicht mit geliefert hatte. So hätten die Richter in Luxemburg nur „zusammengefasst und angenommen, die nationalen Regelung sei nicht in einer Weise untermauert, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs genüge“.
Das OLG München hatte parallel in einem zwischenzeitlich ausgesetzten Verfahren des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen DocMorris die Bundesregierung aufgefordert, weitere Daten zu liefern. Berlin soll Argumente zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Arzneimittelpreisverordnung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln liefern – also die Preisbindung begründen. In der Sache hatte das OLG nicht entschieden.