Apotheke in letzter Sekunde gerettet Hagen Schulz, 24.11.2019 09:24 Uhr
Die Stadt Lindau am Bodensee ist ein echter Hingucker. Das liegt vor allem an der historischen Altstadt, die auf einer Insel liegt. Umgeben vom größten See Deutschlands befindet sich auch die Hirsch-Apotheke. Doch mit der geschichtsträchtigen Apotheke wäre es nach fast 500 Jahren fast vorbei gewesen. Denn der bisherige Inhaber Anton Zumstein fand keinen Nachfolger. Kurz vor der Schließung fand sich mit Alina Rusu dann aber eine junge Apothekerin, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollte.
Die Rumänin wohnt seit drei Jahren in Lindau und war oft für Spaziergänge in der Altstadt unterwegs. Die Nachricht, dass die Hirsch-Apotheke ohne Nachfolger schließen muss, machte die Pharmazeutin betroffen: „Ich fragte mich, wie sowas sein kann. Wie kann eine so schöne Apotheke geschlossen werden?“ Rusu entschied sich, das Schicksal des Betriebs selbst in Hände zu nehmen: „Ich habe Herrn Zumstein gefragt, ob ich seine Apotheke übernehmen darf.“
Die Apothekerin durfte, wenngleich der Vorgänger warnend die Zeigefinger hob: „Wissen Sie, was Sie sich damit aufbürden?“ Denn Parkplätze vor der Apotheke gibt es nicht, auch der Onlinehandel hat dem Betrieb zugesetzt. Doch davon wollte sich Rusu ihren Optimismus nicht nehmen lassen. „Wenn man sich etwas sehr wünscht und hart dafür arbeitet, dann ist alles möglich“, so die frischgebackene Inhaberin. Ein paar Sorgen habe sie sich im Vorfeld dennoch gemacht, ob alles klappen werde, gibt die Apothekerin zu.
Das Werk ihrer Vorgänger möchte Rusu fortsetzen, auch an der Optik der Hirsch-Apotheke soll sich zunächst nicht viel ändern: „Es ist alles so historisch und schön hier, das lasse ich so.“ Das Gebäude sei über 500 Jahre alt, die Einrichtung hat zum Teil 130 Jahre auf dem Buckel. „Der Pharmazierat muss noch entscheiden, ob etwas neu gemacht werden muss“, erklärt die Apothekeninhaberin. Vorgänger Zumstein schaut noch einmal pro Woche in der Apotheke vorbei und hilft mit, dass der Übergang reibungslos funktioniert.
Auch die Kunden der Hirsch-Apotheke freuen sich über das bekannte Gesicht am HV-Tisch, wenngleich sie die neue Inhaberin auch schon ins Herz geschlossen haben. „Die Menschen sind sehr froh, dass die Apotheke nicht zumacht und mögen mich. Viele haben angekündigt, mich für meinen Mut unterstützen zu wollen“, freut sich Rusu über die Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Ab Januar plant die Apothekerin mit einigen Aktionen auf die Apotheke aufmerksam zu machen, „schließlich sind wir ein wichtiger Teil der Gesellschaft.“
Einen anderen Beruf konnte sich Rusu nie vorstellen: „Ich bin geboren, um Apothekerin zu sein.“ Vor drei Jahren kam sie mit ihrem Mann aus ihrer rumänischen Heimat nach Deutschland. „Er hat seine Wurzeln hier und wollte wieder bei seiner Familie sein“, erklärt Rusu. Sie lernte schnell Deutsch und arbeitete in einer Apotheke in Lindaus Nachbarort Lindenberg. Dort hätte sie künftig mehr Notdienste leisten müssen, wenn es die Hirsch-Apotheke nicht mehr gegeben hätte. So fügte sich eines zum anderen.
Eine der ersten Erfahrungen, die Rusu als Inhaberin machte, war die Mitarbeitersuche. Vorgänger Zumstein hatte seinen Angestellten bereits gekündigt, da er nicht mehr an eine erfolgreiche Nachfolgersuche glaubte. „Leicht war es nicht, aber jetzt habe ich ein gutes Team“, so die Apothekerin. Dennoch sei sie weiter auf der Suche nach einer Teilzeit-PTA und einer Approbierten. Daher seien die ersten Tage als Inhaberin auch sehr stressig: „Am schlimmsten ist es, dass ich aktuell wenig Zeit für meine Kinder habe. Aber ich weiß, dass es nur eine Phase ist. Sobald das Personal komplett ist, wird alles besser“, bleibt Rusu wie immer zuversichtlich.