ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Rubbeln gegen das Apothekensterben

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Berlin -

Nein, es ist nicht mehr zu übersehen: Überall im Land schließen die Apotheken. Um diesem misslichen Phänomen etwas entgegenzusetzen, werden jetzt Rubbellose verteilt. Mit ein bisschen Glück geht es für den einen oder anderen Betrieb so doch noch weiter. Doch die Kriterien sind streng.

Die Zahl der Apotheken sinkt seit Jahren, immer wieder zwingt die wirtschaftliche Situation Kolleginnen und Kollegen – oft nach Jahren der Selbstausbeutung – zum Aufgeben. Nachwuchs, der die Apotheke übernehmen würde, ist nicht in Sicht, und so bleibt regelmäßig nur die Schließung. Traurig, aber wahr: Der Abwärtstrend beschleunigt sich sogar noch! War der Rückgang um 400 Apotheken im vergangenen Jahr schon der bisherige Negativrekord, könnte es in diesem Jahr noch mehr Aushänge an Eingangstüren geben, in denen auf das unvermeidbare Ende der Geschäftstätigkeit hingewiesen wird.

Die Zahlen zeigen es bereits Schwarz auf Weiß: Im ersten Halbjahr mussten 222 Apotheken aufgegeben werden. 250 Schließungen standen gerade einmal 28 Neueröffnungen gegenüber. In vielen Kammerbezirken gab es überhaupt keine Neuzugänge. In Baden-Württemberg, Berlin und Schleswig-Holstein wurden bei den Schließungen schon die Negativzahlen des gesamten Vorjahres erreicht.

Doch jetzt kommt Rettung daher. Die Pop-up-Karten der Abda haben Wirkung gezeigt und Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu einer eigenen Guerilla-Aktion bewegt: An alle Apotheken schickt das Ministerium ab der kommenden Woche Briefe mit ein paar netten Grußworten – sowie besonderen Rubbellosen.

Vier Felder bieten die Chance auf einen von zahlreichen attraktiven Gewinnen:

  • GOLD: Fünf Apotheken können sich über das Premiumpaket „Finanzierung XXL“ freuen. Ein Jahr lang bekommen sie sämtliche Kosten erstattet, die bei „wirtschaftlicher Betriebsführung“ anfallen. Der Nachweis darüber ist gegenüber der Abrechnungsstelle GfS zu erbringen, die im Benehmen mit dem GKV-Spitzenverband über die Zulässigkeit der einzelnen Ausgaben entscheidet.
  • SILBER 1: Zehn Mal wird das Förderprogramm „Garantiert approbiert!“ verlost. Die Auszahlung eines Approbiertengehalts über einen Zeitraum von zwölf Monaten soll zu einer befristeten Lösung des Personalmangels beitragen. Allerdings müssen die Apotheken anhand von anonymisierten Gehaltsunterlagen vorweisen, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Einstellung gekommen ist. Eine Barauszahlung ist nicht möglich. Auch Urlaubsvertretungen sind ausgeschlossen. Zu belegen ist auch, dass zuvor mindestens zwölf Monate lang erfolglos versucht wurde, die Stelle zu besetzen. Dafür genügen entsprechende Anzeigen auf zwei unterschiedlichen Jobportalen, alternativ zwei Inserate im angemessenen zeitlichen Abstand auf einer Stellenbörse.
  • SILBER 2: Ebenfalls zehn Mal ist unter den Rubellosen das Schlagwort „Abschlagsfrei 2024“ zu finden. Die Gewinner können ein Jahr lang alle Rx-Packungen ohne den Kassenabschlag abrechnen. Die entsprechende Sonder-PZN ist direkt auf den Gewinnerlosen zu finden. Allerdings haben die Kassen das Recht, die Abrechnung innerhalb eines Zeitraums von 83 Monaten auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen. Werden Fehler festgestellt, hat die Apotheke das Doppelte des Abrechnungsbetrags zuzüglich aufgelaufener Zinsen zurückzuzahlen.
  • BRONZE: 50 Mal verlost wird schließlich ein Tankgutschein im Wert von 50 Euro, der ausschließlich zur Finanzierung von doppelten Botendiensten gedacht ist. Hier ist die Apotheke in der Pflicht, anhand eines Fahrtenbuchs den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch nachzuweisen.

Mit ein bisschen Glück winkt so zwar nicht allen, aber zumindest einzelnen Apotheken eine deutliche wirtschaftliche und bürokratische Entlastung. Finanziert wird das Ganze über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF), der dazu auf die aktuell kaum genutzten Rücklagen für die pharmazeutischen Dienstleistungen zurückgreifen darf. Gesetzliche Grundlage bietet die „Apothekenrubbelverordnung“ (ApoRubV), die direkt nach der parlamentarischen Sommerpause in Kraft treten soll.

Schon vor der Sommerpause und ausnahmsweise rechtzeitig in Kraft getreten ist das „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“, vulgo Engpassgesetz oder ALBVVG. Somit ist der fließende Übergang zu den neu definierten Austauschregeln gesichert. Apotheken haben allerdings nicht mehr so viel Beinfreiheit wie bislang, denn die Lockerungen gelten ab dem 1. August nur noch, wenn das Arzneimittel nicht verfügbar ist.

In puncto Retaxschutz gelten die neuen Regeln zwar schon. Doch es ist erschreckend, wie viele Möglichkeiten der Vollabsetzung die Kassen auch in Zukunft noch haben. In den Apotheken heißt es also weiterhin: Augen auf bei der Rezeptabgabe und -kontrolle! An dieser Stelle der Hinweis: Ab 1. August ist ein Austausch von Wirkstoffen der Substitutionsausschlussliste bei Rezepten zulasten der Ersatzkassen nicht ohne ärztliche Gegenzeichnung möglich. Die wegen der Pandemie erlaubten Ausnahmen laufen aus.

Die Einschränkung der Präqualifizierung hängt vom guten Willen der Rahmenvertragspartner ab, genauso wie die Abrechnung der 50 Cent bei Nichtverfügbarkeit. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) will sich für eine Übergangsregelung stark machen, damit die Apotheken die Engpassprämie schnellstmöglich abrechnen können.

Fortschritte, wenn man es so sehen will, gibt es derweil in Sachen Digitalisierung: Die Gematik hatte in ihrer App jetzt alle Apotheken für das digitale Einlösen von E-Rezepten freigeschaltet – und sie aufgefordert, ihr Warenwirtschaftssystem regelmäßig auf neue E-Rezept zu prüfen. Und in Berlin soll Sprechstundenbedarf nach dem Willen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ab Herbst verpflichtend über ein Portal des Dienstleisters HMM bestellt werden, der dafür eine Gebühr in Höhe von 1,5 Prozent vom Bruttoabrechnungswert nimmt.

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