Sundern

Inhaberin statt Filialleiterin: Jederzeit wieder! Silvia Meixner, 01.09.2017 14:53 Uhr

Berlin - 

Die ersten zwei Monate in der Rochus-Apotheke in Sundern im Sauerland sind geschafft. Jennifer Stock hatte Anfang Juli jene Apotheke übernommen, in der sie einige Jahre als Filialleiterin gearbeitet hatte. Nun zieht sie Bilanz. Die fällt positiv aus.

Viele hatten sie vor der Selbstständigkeit gewarnt: zu unsicher die Zeiten für Apotheker, zu viel Bürokratie. Der Satz „Du bist ja mutig“ klang zuweilen hämisch. Aber sie ließ sich nicht von ihren Plänen abbringen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Zwar sind erst zwei Monate vergangen, aber die Apothekerin ist mehr als zufrieden. Ihren Schritt hat die 39-Jährige keine Sekunde bereut. „Trotz Ferienzeit lief es im zweiten Monat besser als im ersten.“ Und im ersten auch nicht schlecht.

Der Anfang ist gemacht. Viele Kunden von damals, als sie Filialleiterin war, kehren derzeit freudig zurück. „Es ist toll mit den alten Kunden“, sagt sie, „sie freuen sich, dass wir wieder da sind, sagen, dass endlich wieder Kompetenz vor Ort ist. Das ist Balsam für die Seele.“ Und Ansporn, die hohen Qualitätsansprüche zu halten.

Mit der Rochus-Apotheke hat sich Stock den Traum des eigenen Unternehmens erfüllt. Ihr ehemaliger Chef musste per Gerichtsbeschluss drei Apotheken schließen. Als ihr eine davon angeboten wurde, sagte sie zu. Und machte aus der Hubertus-Apotheke die Rochus-Apotheke.

„Der Hauptverordner war zwei Wochen in Urlaub, das habe ich mir schlimmer vorgestellt“, sagt sie. Die Rezepte der Ärzte im angeschlossenen Ärztehaus sind wichtig für das junge Unternehmen: „Ab dieser Woche kommt zu unserem Internisten eine Kollegin mit Vollarztsitz dazu. Damit haben wir einen Gynäkologen, Psychiater, Zahnarzt und im nächsten Jahr nimmt ein HNO-Arzt die Arbeit auf. Damit sind wir sehr gut aufgestellt.“

„Das haben wir immer schon so gemacht“ – diese Devise zählt bei ihr nicht. An erster Stelle steht der Kunde und deshalb hat ihre Apotheke jetzt mittags bis 13 Uhr geöffnet: „Die meisten hier im Umkreis schließen um 12.30 Uhr. Aber ich finde, wenn jemand beim Arzt war und kurz vor eins noch ein Medikament braucht, müssen wir geöffnet haben. Wenn die Arztpraxen bis eins geöffnet haben, muss die Apotheke die selben Öffnungszeiten haben. Diesen Service muss man bieten.“

Die Einrichtung und Eröffnung der Apotheke musste schnell gehen, innerhalb sechs Wochen hat sie mit ihrem Team die leer stehende Apotheke ihres ehemaligen Chefs auf die Neueröffnung vorbereitet. Deshalb blieben einige Pläne offen, die sie nun peu à peu umsetzen will. „Als nächstes wollen wir das grüne Kreuz in Betrieb nehmen. Wir haben hier im Sauerland viele Touristen, für die ist es eine gute Information. Bei der Übernahme war das Kreuz nicht funktionstüchtig. Die Software war kaputtgegangen oder der Vorgänger hat sie möglicherweise mitgenommen.“

Bald soll das Kreuz von der Außenfassade des Hauses wieder leuchten: „Wir können damit auch anzeigen, wenn wir am Sonntag Notdienst haben.“ Ein hilfreicher Wegweiser ist das 50 mal 50 Zentimeter große Kreuz auch in der dunklen Jahreszeit.

Im Unternehmensplan für die kommenden Jahre steht zudem ein neuer Wärmezähler: „Wir sind Mieter in einem Wärmeenergiehaus mit Erdwärme und haben sehr niedrige Heizkosten. Künftig wollen wir auch die Leuchtreklame mit energiesparenden LEDs ausstatten. Und langfristig schaffen wir uns einen Kommissionierer an. Derzeit haben wir Schubladen.“ Das Unternehmen soll nicht von heute auf morgen auf dem neuesten Stand der Technik sein, sondern sich parallel zur Kundenfrequenz entwickeln.

Nur einen kleinen Rückschlag hatte die Rochus-Apotheke in den ersten beiden Monaten zu verzeichnen: „Wir hatten eine Telekom-Störung, einen ganzen Nachmittag funktionierten Telefon und Internet nicht. Zum Glück habe ich einen kompetenten Fachmann im Ort, er hat umgehend eine Rufumleitung aufs Handy vorgenommen.“

Stocks Fazit: „Alle Erwartungen haben sich erfüllt. Selbstständigkeit macht Freude." Die Apothekerin hat feste Grundsätze: „Hochwertige Beratung steht bei uns an erster Stelle.“ Deshalb will sie auch keine weiteren Apotheken eröffnen. „Es ist derzeit in Mode, zu filialisieren. Für manche scheint es sich zu rentieren. Aber es ist nicht meine Vorstellung von Apotheke. Ich sage, ich mache meine Apotheke, ich bin da vorne und mache es richtig. Ich kann meine Mitarbeiter gut bezahlen, verdiene meinen Lebensunterhalt und die Kunden sind zufrieden.“

In Sundern gibt es derzeit fünf Apotheke, eine steht aus Altersgründen kurz vor der Schließung. Die Versorgungssituation bietet Raum für alle, jeder kommt gut über die Runden. „Wir wollen keine Preiskämpfe zwischen den Apotheken. Jeder hat natürlich seinen Flyer mit Angeboten, die Kunden sollen profitieren. Aber wir wollen uns nicht gegenseitig unterbieten.“

Blauäugig ist die Apothekerin nicht an die Selbstständigkeit herangegangen: „Eine Apotheke auf dem Land ist kein Selbstläufer. Aber hier sieht man den Menschen als Menschen, wir haben 70 Prozent Stammkundschaft. Wir wissen, wer mit wem verheiratet ist, wer Kinder, Hund oder Katze hat. Und wenn jemand krank war, fragen wir beim nächsten Mal nach, ob es ihm wieder besser geht. Das ist meine Vorstellung von Apotheke.“