Richtiges Verhalten beim Überfall Alexander Müller, 15.03.2023 14:40 Uhr
Die Geiselnahme in der Karlsruher Congress Apotheke in der vergangenen Woche hat die Apothekerschaft erschüttert. Glücklicherweise wurden alle elf Geiseln unverletzt befreit – auch weil Inhaber Patrick Kwik der Polizei den Zugriff auf seine Überwachungskamera ermöglichen konnte. Dass er selbst noch aus der Apotheken fliehen konnte, machte ihm anschließend zwar Gewissensbisse, war aber letztlich ein Glücksfall. Viele Kolleg:innen fragen sich, wie sie sich in so einer Extremsituation verhalten hätten. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) hat zumindest für den regelmäßiger vorkommenden Fall eines Raubüberfalls einen Leitfaden erstellt.
Kwik war gerade am Hinterausgang der Apotheke, als der Geiselnehmer in die Apotheke stürmte und einmal in die Luft schoss. Er konnte unbemerkt entkommen und so den Ermittlern in einer mobilen Leitzentrale bei der Überwachung des Täters helfen. Über seinen Online-Zugang konnten die Beamten die Bewegungen des Täters in den Innenräumen verfolgen und im richtigen Moment zuschlagen. Das Geiseldrama endete ohne Verletzte, der Täter konnte festgenommen werden. Mit den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) sprach Kwik am Tag nach dem Überfall, nun möchte er das Erlebte zunächst mit seinem Team zusammen verarbeiten.
Gegenüber den BNN sagte der Inhaber, ihn habe während der Geiselnahme das schlechte Gewissen geplagt, dass er nicht bei seinem Team geblieben sei. Tatsächlich ist der Inhaber wegen dieses Verhaltens auch schon angefeindet worden. Andere haben Verständnis für sein Handeln, das letztlich unvorhergesehen sogar dabei geholfen hat, dass der Täter verhaftet werden konnte.
Abgesehen davon, dass ein planvolles Handeln in Extremsituation sehr schwer ist, wenn es nicht regelmäßig trainiert wird, können Apothekenteams einige grundsätzliche Dinge beachten, wenn es beispielsweise zu einem Raubüberfall in der Apotheke kommt.
Der LAV hat hierzu ein Kapitel für ein QM-Handbuch erarbeitet, das Apotheken umsetzen können. Darin wird einleitend darauf hingewiesen, dass Täter:innen selbst unter erheblichem Stress stehen. Ungeschicktes Verhalten der Apothekenteams könne daher zu Gewalttaten führen. Mit den richtigen Verhaltensweise ließe sich das Risiko einer Körperverletzung immerhin verringern. Meist hätten es die Täter vor allem auf Geld oder Betäubungsmittel abgesehen.
Zu den wichtigsten Tipps des LAV zum richtigen Verhalten während eines Raubüberfalls gehören
- möglichst Ruhe bewahren und höflich bleiben
- dem Täter zuhören und allen Anweisungen folgen
- keine Waffen oder waffenähnliche Gegenstände benutzen
- Keine Gegenwehr leisten – nicht in den Weg, Zu- oder Ausgänge versperren oder den Täter angreifen. Selbst Hilfeschreie könnten dazu führen, dass der Täter entgegen seiner ursprünglichen Absicht Gewalt anwendet.
- keine unangekündigten und hastigen Bewegungen
- den Täter auf für ihn unerwartete Ereignisse hinweisen, etwa das anstehende Eintreffen von Lieferanten
- eigene Handlungen kommentieren. Zum Beispiel: „Das Geld ist im Tresor. Ich werde ihn jetzt öffnen.“
- Kassenlade oder Tresortür nicht zuschlagen. Das könnte den Täter verletzen und eine gewalttätige Gegenreaktion provozieren.
- Hände für den Täter immer sichtbar halten
- Ehrlich sein. Das Vorhandensein von Schlüsseln zum Tresor/Geldschrank oder Bargeld nicht leugnen.
- Verinnerlichen: Der Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen hat Vorrang vor dem Schutz materieller Werte
- Alarm nur auslösen, wenn dadurch keine zusätzliche Gefährdung zu erwarten ist (Alarmauslösung kann nicht unauffällig erfolgen, Alarm ist optisch oder akustisch zu bemerken
Schon in den Übergang der richtigen Nachsorge fällt der Tipp:
- Prägen Sie sich das Äußere des Täters und den Tatablauf ein. Das unterstützt die Ermittlungen der Polizei.
Für das Verhalten nach dem Raubüberfall hat der LAV ebenfalls Tipps zusammengestellt:
- Ruhe bewahren und Betroffene beruhigen
- Erste Hilfe für Verletzte leisten, gegebenenfalls Arzt/Ärztin oder Krankenwagen rufen
- Polizei alarmieren: Ort des Überfalls, Fluchtrichtung und Beschreibung des Täters, auf weitere Anweisungen warten.
- Fahndungsblatt für jeden Täter anlegen, ein Muster stellt der LAV zur Verfügung.
- Geschäftsbetrieb einstellen, nichts berühren
- alle Anwesenden sollen den Tatort verlassen, Zeugen das Eintreffen der Polizei abwarten
- unnötige Gespräche vermeiden, damit eigene Beobachtungen und Eindrücke nicht verfälscht werden
- keine Auskünfte oder Fotoerlaubnis an die Presse.
- an den betrieblichen Erstbetreuer wenden, bei Gesundheitsbeschwerden Arzt/Ärztin aufsuchen
- sofortige Meldung an die Berufsgenossenschaft, damit den Betroffenen zeitnah eine psychologische Soforthilfe angeboten werden kann.