Eine Apotheke für 288 Einwohner Julia Pradel, 28.11.2015 08:56 Uhr
288 Menschen leben im rheinland-pfälzischen Strüth. Die Gemeinde ist damit die kleinste in Deutschland, die eine eigene Apotheke hat. Die Apotheke im Ort gehört Martin Ruschig, er hat sie vor 20 Jahren von seinem Vater übernommen. Ruschig ist Landapotheker aus Überzeugung – und das muss er auch sein. Denn nicht nur Notdienst und Urlaubsplanung bereiten Probleme, auch die Landflucht stellt den Apotheker vor Herausforderungen.
Dass sich die Apotheke in dem kleinen Ort überhaupt halten kann, hat verschiedene Gründe. „Vor allem liegen sehr viele weitere kleine Orte um Strüth herum“, erklärt Ruschig. „Strüth war immer ein Zentrum, mit Arztpraxis, Post und Einkaufsmöglichkeiten“, erzählt Ruschig. Im Ort selbst arbeiteten zweieinhalb Ärzte – ein 91-jähriger Mediziner ist noch ab und zu in der Praxis tätig. Ein weiterer Arzt arbeitet vier Kilometer entfernt.
Seit 1894 gibt es eine Apotheke in dem Ort; 1963 übernahm sie Ruschigs Vater. Damals war sie eine sogenannte Notstandsapotheke, die zwar wichtig war, aber nicht mehr alle Anforderungen erfüllte. Ruschigs Vater trat mit der Perspektive an, dass die Gemeinde ein neues Gebäude für die Apotheke errichten würde. 1965 entstand tatsächlich das neue Apothekengebäude in der Brühl-Weiher-Straße.
1994 übernahm Ruschig die Apotheke von seinem Vater. Eigentlich wollte er früher wegziehen aus dem Ort. Doch dann habe er die richtige Frau gefunden und sei geblieben, erzählt er. Inzwischen ist Ruschig glücklich mit seiner Entscheidung. Er hat das Haus, in dem die Apotheke liegt, gekauft und lebt mit seiner Familie im Obergeschoss. Daher habe er Arbeit und Familie gut kombinieren und seine Kinder aufwachsen sehen können.
Seine jüngste Tochter hat gerade ihr Pharmaziestudium begonnen. Auch sie wolle lieber weg aus Strüth, sagt Ruschig – aber er gibt sich noch nicht geschlagen und will lieber in ein paar Jahren noch einmal mit ihr darüber sprechen.
Ruschig liebt die täglichen Herausforderungen des Landapothekerdaseins: „Ich habe den Eindruck, dass die Anforderungen an eine Apotheke auf dem Land größer sind als beispielsweise in Rüdesheim“, meint Ruschig. Man habe keine Möglichkeit sich zu spezialisieren, sondern müsse alle Probleme lösen können. Er hat dabei etwa die Hilfsmittelversorgung im Blick: Während sich Kollegen in der Stadt die Arbeit gern vom Hals schaffen würden, müsse er für die Menschen in den Gemeinden eine Lösung finden – weil es keine Alternative gebe.
„Nur Idylle ist es hier aber auch nicht mehr, die Konkurrenz durch die anderen Apotheken ist hart“, so Ruschig. Er spürt die Folgen der Landflucht: Der Metzger hat inzwischen geschlossen und auch die Post ist aus Strüth verschwunden. Für ihre Erledigungen müssen die Menschen daher öfter ins acht Kilometer entfernte Nastätten fahren. Dort gibt es drei Apotheken, die laut Ruschig mit hohen Rabatten werben.
Um auf weitere Veränderungen eingestellt zu sein, hat Ruschig vor vier Jahren die Hildegardis-Apotheke im 42 Kilometer entfernten Rüdesheim in Hessen übernommen. Sie wurde zur Hauptapotheke, die Filiale in Strüth leitet seitdem seine Frau. Wirtschaftlich nötig sei die Übernahme aber nicht gewesen, betont Ruschig: „Die Apotheke in Strüth trägt sich allein. Und ich halte es auch für keine gute Idee, eine schlecht laufende Apotheke als Filiale zu erhalten.“
Die Apotheke in Strüth führt Ruschigs Frau Maike zusammen mit einer PTA und einer PKA. In der Apotheke in Rüdesheim sind eine Apothekerin, drei PTA und eine PKA angestellt. Wollen die Ruschigs in den Urlaub, muss eine professionelle Vertretung für die Apotheke in Strüth organisiert werden. Umso wichtiger sind ihnen die Wochenenden – und umso ärgerlicher ist es, wenn diese durch häufige Notdienste nicht der Erholung dienen.
Eigentlich muss Ruschig in der Apotheke in Strüth nur alle 13 Tage Dienst leisten. Allerdings muss er weitere Extradienste leisten, weil sonst die Entfernungsregelungen der Kammer nicht eingehalten werden können. Im kommenden Jahr hätte er an drei aufeinander folgenden Wochenenden Dienst leisten müssen – also praktisch einen Monat lang durcharbeiten sollen. Das war ihm dann doch zu viel, er hat um einen Tausch gebeten. In Rüdesheim ist die Hildegardis-Apotheke alle elf Tage mit dem Dienst dran. Dies sei aber immerhin ein starrer Rhythmus ohne Extradienste, so Ruschig.