Die Berliner Apotheken mussten handeln.
Bei den vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)
durchgeführten Stichproben in den Jahren 2009 und 2010 fiel jede
dritte Rezeptur wegen Qualitätsmängel durch. 86 Prozent der Proben
wiesen Fehler in der Kennzeichnung auf. Die Kammer hat eine Expertenrunde ins Leben gerufen und setzt auf Schulungen.
Insgesamt 38 Bußgeldverfahren hatte die Behörde eingeleitet: Bei galenischen Mängeln mussten die Apotheken ein Ordnungsgeld und die Kosten der Analysen in Höhe von 1200 Euro zahlen. Weil einfache Maßnahmen wie Merkblätter nicht zu einer Verbesserung führten, startete die Kammer im Juni 2011 ein „Forum zur Rezepturqualität“.
„Ziel war es, die Ursachen für die mangelhafte Rezepturqualität zu suchen und Lösungsansätze zu finden“, sagt Dr. Stefan Wind, stellvertretender Geschäftsführer der Kammer.
Insgesamt 20 Experten hatte die Kammer eingeladen, mittlerweile hat es zwei Treffen gegeben. „Wir haben uns bewusst Personen ausgesucht, die auch eine Meinung und etwas zu sagen haben“, sagt Wind. Neben Apothekern aus Offizin- und Krankenhausapotheken waren Vertreter der Bundesapothekerkammer (BAK), des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), der Arbeitsgruppe des Neuen Rezeptur Formulariums (NRF) und den entsprechenden Fachbereichen der Freien Universität Berlin dabei. Auch Vertreter der pharmazeutischen Industrie und Hersteller von Rührsystemen nahmen teil.
Zunächst identifizierten die Experten 59 Ursachen und Einflussfaktoren, die aus ihrer Sicht zu den schlechten Ergebnissen geführt hatten. Laut ZL treten Mängel inform von unregelmäßiger Verteilung der Wirkstoffe, Agglomeratbildung, Gehaltsproblemen und Kennzeichnungsfehlern auf.
Von 114 vorgeschlagenen Maßnahmen wurden letztendlich 15 für umsetzbar befunden. Rechtlich bindend ist das Maßnahmenpaket der Kammer nicht, vielmehr sollten „praktikable Lösungen“ geschaffen werden, so Wind.
Bei kritischen Rezepturen empfehlen die Experten zum Beispiel das Vier-Augen-Prinzip. Zudem sollten Apotheken künftig den Einwaagekorrekturfaktor auf den Standgefäßen vermerken. Das Ausstreichen einer Salbenprobe während der Herstellung empfehlen sie als Inprozesskontrolle. Die Gerätebeschreibungen der Rührsysteme sollten nahe dem Gerät liegen, um neuen Mitarbeitern ein schnelles Nachschlagen zu ermöglichen. Einen Rezepturverantwortlichen sollte es vor allem in Apotheken mit nachgewiesenen Qualitätsmängeln geben.
Die Kammer bietet verstärkt Fortbildungen zum Thema an, die Wind zufolge sehr gut angenommen werden. Seit Mai 2012 gibt es zum Beispiel ein spezielles Rezepturcoaching für alle Teilnehmer am Ringversuch. Bei Teamfortbildungen wird die Herstellung von Rezepturen praktisch geübt.
Im April wird es erstmals einen Workshop für Ärzte und Apotheker zum Thema Rezepturherstellung geben: Um die Kommunikation zwischen den Heilberuflern zu fördern, soll in dem Praxisseminar die Plausibilitätsprüfung interdisziplinär erprobt werden.
Auch andere Kammern sind bereits aktiv geworden, um die Qualität der Rezepturen zu verbessern. In Baden-Württemberg hat die Kammer einen Leitfaden erstellt: Tipps zur Hygiene, Plausibilitätsprüfung, Kennzeichnung und Dokumentation sind enthalten. Zusätzlich wirbt die Kammer für die Ringversuche und bietet entsprechende Fortbildungen.
Die Apothekerkammer Brandenburg hat die Apotheken dazu verpflichtet, alle zwei Jahre am Ringversuch teilzunehmen. Die Kosten wurden im vergangenem Jahr für einen Ringversuch je Apotheke übernommen.
Da in Schleswig-Holstein die Ergebnisse ähnlich negativ ausfielen wie in Berlin – etwa 30 Prozent der untersuchten Proben wiesen Mängel auf –, setzt die Kammer auf die Verbesserung der Ausbildung: Jeder Pharmaziepraktikant muss am Ringversuch teilnehmen. Auch für Bremer Apotheken ist eine Teilnahme einmal pro Jahr Pflicht.
In Westfalen-Lippe werden jährlich aus mindestens 140 Apotheken Rezepturproben entnommen und vom ZL untersucht. Bei Bedarf erhalten die Apotheken eine Einladung zur Besprechung der Mängel: Denn oft seien die durchgeführten Fehler den Mitarbeitern gar nicht bewusst und könnten mit einfachen Maßnahmen verhindert werden, so die Kammer.
Die Anzahl der durchgeführten Ringversuche steigt: 2007 gab es 2755 Teilnehmer, zwei Jahre später waren es 4051 und 2011 untersuchte das ZL 5373 Proben.
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