Landarzt an der Zuweisungsgrenze Alexander Müller, 19.08.2015 12:26 Uhr
Landapotheken haben es schwer, wenn der Arzt wegzieht. Manchmal bleibt aber auch der Arzt und die Apotheke schließt. Ein Landarzt in Sachsen-Anhalt bietet seinen Patienten daher den Service, die Verordnung direkt an zwei Apotheken in den beiden Nachbarorten zu schicken, die die Arzneimittel dann ausliefern. Doch wenn dies quasi automatisch geschieht, handelt es sich um eine unzulässige Zuweisung. Deshalb muss sich der Arzt jetzt vor Gericht verantworten.
Der Mediziner leitet die Rezepte über seine Software direkt an die Apotheken weiter. Nach Auskunft seines Anwalts David Geßner haben die Patienten zuvor schriftlich ihr Einverständnis erklärt. Sie hätten zudem vorher um Rat gefragt, wo sie ihre Rezepte einlösen könnten.
Die Wettbewerbszentrale sieht dennoch einen Verstoß gegen die Berufsordnung der Ärztekammer. Schließlich leite der Arzt alle Rezepte immer an dieselben zwei Apotheken weiter, obwohl es eine weitere Apotheke in der näheren Umgebung der Praxis gebe. Zudem sei unwahrscheinlich, dass die Weiterleitung immer auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten erfolge, da der Arzt sogar für den Service werbe.
Ärzte dürfen laut Berufsordnung nur in Einzelfällen direkt an andere Leistungserbringer verweisen. Selbst die Empfehlung einer Apotheke darf nicht ohne „hinreichenden Grund“ erfolgen. Nach einer früheren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zählt die Vermeidung von weiten Wegen für gehbehinderte Patienten als hinreichender Grund, ebenso schlechte Erfahrungen, die Patienten mit anderen Leistungserbringern gemacht haben. Die Bequemlichkeit des Patienten ist dagegen keine ausreichende Begründung.
Die Wettbewerbszentrale geht davon aus, dass der abgemahnte Arzt seine Patienten ohne Prüfung des Einzelfalls regelmäßig an die Apotheken verweist, auch wenn die gesetzliche Ausnahme eigentlich nicht gegeben ist.
Die hohe Anzahl an Patienten, die sich in kurzer Zeit für den Service angemeldet hatten, legt aus Sicht der Wettbewerbszentrale nahe, dass nicht in jedem Fall ein triftiger Grund für die Weiterleitung vorlag oder überhaupt geprüft wurde. Der Arzt wurde daher zunächst abgemahnt und muss sich jetzt vor dem Landgericht Dessau-Roßlau verantworten.
Anwalt Geßner zufolge liegt hingegen keinesfalls ein Verstoß gegen die Berufsordnung vor: „Die Besonderheit ist in diesem Fall, dass mein Mandant Arzt in einem Ort ist, der über eine schlechte Infrastruktur und keine Apotheke verfügt.“ Patienten, die schlecht zu Fuß seien, hätten keine Möglichkeit, auf zumutbare Weise an ihre Medikamente zu gelangen, so Geßner.
Die Wettbewerbszentrale habe aber keinen Einblick in die Patientenakten und vermute nur aufgrund des monierten Flyers, dass die Verweisung ohne Prüfung und Einwilligung geschehe, erklärt Geßner. Dem Anwalt zufolge wurde der Service des Arztes schon in der Vergangenheit rechtlich angegangen, nach einer Erklärung aber nicht weiter beanstandet.
Aus seiner Sicht handelt es sich nicht nur um eine zulässige Serviceleistung des Arztes, sondern um eine sogenannten vertragliche Nebenpflicht: „Es würde einen groben Verstoß gegen die ärztlichen Fürsorgepflichten darstellen, den Patienten ohne Alternative wegzuschicken“, so der Anwalt.
Aus Sicht der Wettbewerbszentrale spricht aber vieles dafür, dass auch Fälle dabei sind, bei denen es keine medizinischen Gründe für die direkte Weiterleitung der Rezepte gab. Unerheblich sei für die Bewertung dagegen, ob zwischen Arzt und Apotheke zusätzlich eine Vereinbarung besteht, gegebenenfalls sogar mit einer Vergütung. In diesem Fall wäre der Service auf jeden Fall unzulässig, auch der Apotheker würde dann gegen seine berufsrechtlichen Vorschriften verstoßen.
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