Apotheker darf Rezepte nicht abholen Alexander Müller, 31.05.2016 15:14 Uhr
Auch wenn es verführerisch ist: Auf eigene Faust eine Rezeptsammelstelle direkt beim Arzt zu installieren, ist nicht erlaubt. Das gilt auch für einen entsprechenden Kasten an der Außenwand eines Nieren- und Diabeteszentrums (NDZ) sowie für Mitarbeiter, die die Rezepte selbst einsammeln. Ein Apotheker aus Viersen in Nordrhein-Westfalen kann sich laut Oberverwaltungsgericht NRW auch nicht auf seine Versandhandelserlaubnis berufen.
Apotheker Stefan Grebe, Inhaber der Delphin Apotheke in Viersen hatte 2009 zunächst die Rezeptsammelstelle installiert, was von der Aufsicht verboten wurde. Unter Protest stellte er den Betrieb der Rezeptsammelbox ein. Gleichzeitig kündigte er an, die Rezepte direkt von seinen Mitarbeitern oder im Einzelfall vom Personal der Dialysestation einsammeln zu lassen. Die Arzneimittel würde er auch per Bote an die Dialysestation liefern.
Die Aufsichtsbehörde hatte Grebe das Sammeln von Rezepten an den drei Standorten des NDZ in Viersen-Dülken, Nettetal-Lobberich und am Allgemeinen Krankenhaus Viersen (AKH) untersagt und die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem Apotheker ein Zwangsgeld angedroht.
Grebe vertritt dagegen die Auffassung, das Sammeln von Rezepten sei von seiner Versandhandelserlaubnis gedeckt. Doch das Verwaltungsgericht Düsseldorf lehnte es in erster Instanz ab, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den behördlichen Bescheid wieder herzustellen. Mit seiner Beschwerde ist Grebe nun auch vor dem OVG gescheitert.
Das OVG begründete das Verbot mit dem Apothekengesetz (ApoG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Demnach werden die Arzneimittel in der Apotheke direkt an den Kunden abgegeben. Der Betrieb von Rezeptsammelstellen sowie der Botendienst sei daher nur ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen zulässig.
Der Gesetzgeber habe mit der Zulassung des Versandhandels diese Vorstellung zwar „aufgeweicht“, halte aber nach wie vor am Verbot von Rezeptsammelstellen fest, so das OVG. Mit der Präsenzapotheke und dem Versandhandel existierten „zwei voneinander abzugrenzende Versorgungssysteme“.
Eine Erlaubnis für den Betrieb einer Rezeptsammelstelle hat Grebe nicht – und laut Gerichtsbeschluss auch offensichtlich keinen Anspruch darauf. Abgesehen davon, dass diese nicht bei Angehörigen der Heilberufe betrieben werden dürften, sei nicht ersichtlich, dass das Sammeln von Rezepten am NDZ zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten erforderlich sei.
Das Einsammeln der Rezepte sei jedenfalls kein Bestandteil des Versandhandels von Grebe Delphin Apotheke, so das OVG. Typisch für den Betrieb einer Versandapotheke sei, dass jedermann per E-Mail, Telefon oder Fax bestellen könne und die Auslieferung durch einen externen Logistiker erfolge. In vorliegenden Fall spare der Kunden den Aufwand, die Rezepte selbst an eine Versandapotheke zu übermitteln. Zudem richte sich das Angebot nur an Patienten des Dialysezentrums, allenfalls noch an Mitarbeiter oder Besucher. Auch die Belieferung im Wege des Botendienstes sei für den Versandhandel untypisch.
Es sei Grebe zwar zuzugestehen, dass seine Methode „ebenso oder gar deutlich sicherer sein dürfte als eine Belieferung im Wege des Versandhandels“, so das OVG. Aber diese Form der Rezeptsammlung berge die Gefahr, „dass die Erhaltung beziehungsweise Neueinrichtung von Präsenzapotheken erheblich erschwert werden könnte, weil sich Apotheker durch ein gezieltes Abschöpfen von Verschreibungen an hierfür ausgewählten und als besonders lukrativ befundenen Örtlichkeiten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten“, heißt es im Beschluss vom 2. Mai.
Laut OVG zielt das Aufsuchen der Dialysestation darauf ab, sich gezielt Rezepte zuführen zu lassen und das Einlösen von Rezepten bei anderen Apotheken zu verhindern. Der Apotheker hatte behauptet, die Initiative gehe allein von den Patienten aus. Das überzeugte das Gericht nicht. Die bloße Anwesenheit des Apothekenpersonals provoziere die Zuführung, so der Beschluss. Den Patienten werde es vielfach egal sein, von welcher Apotheke sie ihre Arzneimittel beziehen und es als lästig und zeitaufwändig empfinden, extra eine Präsenzapotheke aufsuchen zu müssen.
Nach summarischer Prüfung war das OVG überzeugt, dass die Untersagungsverfügung rechtmäßig ist. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das private Interesse des Apothekers – schon wegen der „negativen Vorbildwirkung“. Die Rezeptsammlung ist damit bis zum Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens verboten. Ob Grebe weiter für seine Kooperation kämpfen will, ist noch nicht bekannt.