Nach Zwangsschließung

Rezeptsammelstelle sticht Filiale

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Berlin -

Die Zwangsschließung der Stern-Apotheke von Inhaber Tobias Wettig hat Kollegen und Ärzte überrascht. In Kranichfeld im Landkreis Weimarer Land gibt es seit Juli keine Arzneimittelversorgung mehr. Die Mediziner vor Ort haben sich deshalb an die Pharmazeutin Nadine Herrmann gewandt. Die Inhaberin zweier rund 40 Kilometer entfernt liegenden Apotheken hat eine Rezeptsammelstelle eröffnet.

Kranichfeld – die Zwei-Burgen-Stadt ­– liegt idyllisch südöstlich von Erfurt. Dort leben rund 3400 Menschen, zur Verwaltungsgemeinschaft gehören rund 6300 Einwohner. Im Sommer musste die Stern-Apotheke schließen. Wettig wurde vom Landesamt für Verbraucherschutz unter anderem vorgeworfen, die Anwesenheitspflicht nicht eingehalten zu haben. Er soll gegen mehrere Vorschriften verstoßen haben. Da er den Betrieb unerlaubt weiterführte, schritt die Behörde Ende Juli ein.

Etwa sechs Apotheken in Bad Berka, Blankenhain und Stadtilm liegen im näheren Umkreis zwischen 9 und 25 Kilometer. Um die Arzneimittelversorgung vor Ort weiter zu gewährleisten, waren eine Rezeptsammelstelle und ein Abholautomat im Gespräch. Seit heute können Kunden ihre Verordnungen in einem Briefkasten keine 100 Meter von der Gemeinschaftspraxis mit drei Ärzten entfernt einwerfen. Herrmann hat eine Genehmigung für die Rezeptsammelstelle erhalten.

Die Rezepte werden zweimal täglich um 11 und 18 Uhr abgeholt. „Wir sind von den Ärzten angesprochen worden“, sagt die Inhaberin der Sonnen-Apotheke in Jena und Apotheke am Darrplatz in Apolda. Die Kunden sollen die Arzneimittel je nach Verfügbarkeit innerhalb eines Tages geliefert bekommen. „Sie freuen sich über die ortsnahe Versorgung.“ Die Erwartungen an die Sammelstelle will Herrmann nicht kommentieren. „Wir haben uns Gedanken gemacht und schauen jetzt erst einmal, ob es funktioniert.“

Eine zweite Filiale steht für sie derzeit nicht zur Debatte. „Das ist schwierig und momentan nicht vordergründig vorgesehen“, sagt die Pharmazeutin, die die Apotheke in Jena vor fünf Jahren übernommen und ihre Filiale vor zwei Jahren eröffnet hat. Auch die anderen Apotheker aus der Region sehen in dem Standort zu wenig Potenzial. Die Gründe: In der Region gebe es zu wenig Personal.

Zudem handele es sich um eine kleine Apotheke. „Unter heutigen Bedingungen keine Ideal-Apotheke“, sagte Hans-Joachim Jaep im Sommer. Der Inhaber der Apotheke am Markt in Stadtilm hatte die Stern-Apotheke vor vielen Jahren für kurze Zeit von der Voreigentümerin gepachtet. Nach der Schließung sei in seiner Apotheke in Stadtilm die Kundenfrequenz gestiegen. In Thüringen gibt es laut Zahlen aus 2017 knapp 80 Rezeptsammelstellen von bundesweit rund 1300.

Rezeptsammelstellen können laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) genehmigt werden, wenn sie zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von abgelegenen Orten ohne Apotheken erforderlich sind. Die Erlaubnis wird maximal für drei Jahre gewährt und kann erneut erteilt werden. In der Regel gilt eine Entfernung von sechs Kilometern als Voraussetzung für die Bewilligung.

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