Keine Ausnahme für Rx-Boni APOTHEKE ADHOC, 10.06.2015 11:26 Uhr
Das Landgericht Berlin (LG) hat das Verbot von Rx-Boni bestätigt und damit die 1-Euro-Gutscheine des Berliner Apothekers Cornelius Spielberger für unzulässig erklärt. In der Urteilsbegründung erklären die Richter nun, warum aus ihrer Sicht auch anlassbezogene Rabatte nicht erlaubt sind – obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) vor zwei Jahren eine vermeintliche Ausnahmeregelung zugelassen hatte.
In dem Verfahren ging es um 1-Euro-Gutscheine, die Spielberger an seine Kunden ausgegeben hatte. Er hatte das mit verschiedenen Anlässen begründet, etwa langen Wartezeiten, dem selbst ernannten Seniorentag jeden Freitag oder der Fußball-Weltmeisterschaft. Die Wettbewerbszentrale war gegen die Boni vorgegangen und hat vom LG recht bekommen.
Aus Sicht der Richter liegt – mit Verweis auf dem BGH – auch dann ein Verstoß gegen die Preisbindung vor, wenn zwar der korrekte Preis angesetzt wird, „dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen“. Darunter falle auch ein Gutschein über einen bestimmten Geldbetrag.
Laut einem BGH-Urteil aus dem Jahr 2013 könne Abweichendes „allenfalls dann gelten, wenn […] die Vorteile nicht allein für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels, sondern auch aus anderem Anlass gewährt werden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss“. Aus Sicht der Berliner Richter ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt.
Die Fußball-WM stelle keinen unternehmensbezogenen Anlass dar, und auch der Senioren-Tag gelte nicht als Anlass in diesem Sinne. Die unterstellte geringere Auslastung an einem Freitagnachmittag sei vorhersehbar, treffe alle Apotheken gleich und stelle keine Unannehmlichkeit für den Kunden dar.
Als solche könnte höchstens eine lange Wartezeit gelten. Das würde aber voraussetzen, dass der Andrang für den Apotheker nicht vorhersehbar gewesen sei. Zur gewöhnlichen Kundennachfrage an einem Mittwochvormittag, an dem auch die Testkäuferin ihr Rezept eingelöst hatte, habe Spielberger aber nichts vorgetragen. Ob eine Wiedereröffnung allgemein einen „anderen Anlass“ darstelle, ließen die Richter offen. Für den Fall spielte das keine Rolle: Die Apotheke habe bereits Anfang Oktober wieder geöffnet, der Gutschein sei aber Mitte November ausgeteilt worden.
Und selbst wenn ein außergewöhnlicher Anlass vorliegt, heißt das den Berliner Richtern zufolge nicht, dass Boni automatisch erlaubt sind. Der BGH habe die Möglichkeiten bereits mit der Formulierung „allenfalls“ eingeschränkt und damit deutlich gemacht, dass aus grundsätzlichen Erwägungen tatsächlich jede Ausnahme ausgeschlossen sein kann.
Spielberger hatte in dem Verfahren die durchgeführten Testkäufe angezweifelt. Weder ihm noch seinem Rechenzentrum lägen Rezepte der vermeintlichen Patientin vor. Wenn die Verschreibungen aber für andere Personen ausgestellt und ohne deren Zustimmung eingelöst worden seien, dürften sie nicht als Beweis verwertet werden. Das sahen die Richter anders. Entscheidend seien die ausgestellten Kassenbons, die die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel belegten.
Auch den Antrag, das Verfahren auszusetzen, lehnte das Gericht ab. Spielberger wollte die Entscheidung vertagen, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden hat, ob das Arzneimittelpreisrecht für ausländische Versandapotheken anwendbar ist. Sei dies nicht der Fall, könne es auch nicht mehr auf deutsche Apotheken angewendet werden. Nachdem sich das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) im März an die europäischen Richter gewandt hat, müssen sie nun darüber entscheiden, ob sich ausländische Versandapotheken an die deutschen Preisvorschriften halten müssen.
Für die Richter kam eine Aussetzung aber nicht in Betracht: „Allein die Möglichkeit, dass eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs mittelbar Einfluss auf die Verpflichtung zur Einhaltung der Preisbindung durch deutsche Apotheken haben könnte, reicht nicht“, hießt es. Zumal der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes bereits entschieden habe, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht mit dem Unionsrecht im Einklang stehe.