BfArM deckt DAK-Retax Alexander Müller, 02.03.2016 15:17 Uhr
Die Gültigkeit eines Rezeptes festzustellen, sollte hinsichtlich des Datums eigentlich einfach sein. Ist es aber nicht. Kassen und Apotheker haben mitunter abweichende Auffassungen, welcher Tag mitgezählt werden muss und welcher nicht. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilt im Fall Isotretinoin-haltiger Arzneimittel die Position der DAK.
In der Bären-Apotheke von Dr. Stefan Noé reichte eine Patientin am 12. März 2015 ein Rezept ein, das am 5. März ausgestellt worden war. Aus Sicht der DAK wurde die Frist damit überschritten. Im Dezember retaxierte die Kasse den vollen Betrag von 27,21 Euro. Noé hat über den Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) Einspruch eingelegt.
Die Sache ist knifflig: Isotretinoin ist hoch teratogen und entsprechend in Schwangerschaft und Stillzeit absolut kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter dürfen den Wirkstoff nur einnehmen, wenn alle Bedingungen eines Schwangerschaftsverhütungsprogramm erfüllt werden.
Wegen der erhöhten Risiken sind die Rezepte nur eine Woche gültig. Allerdings herrscht Uneinigkeit in der Frage, ob der Tag der Ausstellung mit gezählt werden muss. Laut LAV gelten für Rezepte dieselben Anforderungen wie für Betäubungsmittel (BtM). Demnach sind die Rezepte „1+7 Tage“ gültig, also eine volle Woche nach Ausstellung. Nach der Sichtweise hätte die DAK tatsächlich zu Unrecht retaxiert.
Das BfArM sieht dies anders: „Die Abgabe darf bis zu sieben Tage erfolgen, wobei der Tag der Ausstellung des Rezepts mitzählt“, so ein Sprecher. Dies sei auch in Übereinstimmung mit der Regelung für T-Rezepte so, die ebenfalls in der Teratogenität der Stoffe begründet sei. Rechtliche Grundlage für diese Regelung ist laut BfArM-Sprecher die Entscheidung der EU-Kommission nach Abschluss des sogenannten Referrals zu Isotretinoin aus dem Jahr 2003.
Für die teratogenen Wirkstoffe Lenalidomid, Pomalidomid oder Thalidomid ist in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) explizit geregelt, dass Rezepte „bis zu sechs Tagen nach dem Tag ihrer Ausstellung gültig“ sind. Die Formulierung ist eindeutig. Das sieht man auch beim LAV so. Auf dem Merkzettel heißt es zur Gültigkeit von T-Rezepten „1+6 Tage“.
Isotretinoin ist zwar ebenfalls teratogen, muss aber nicht auf T-Rezepten verordnet werden. In maßgeblichen Paragraphen des AMVV taucht der Wirkstoff daher nicht auf. Es gibt vom BfArM lediglich einen „Leitfaden für Ärzte und Apotheker zur Verordnung und Abgabe von Isotretinoin“. Darin heiß es: „Die Abgabe durch den Apotheker muss innerhalb von sieben Tagen nach Ausstellung erfolgen.“
In Analogie zum Passus in der AMVV zu T-Rezepten kann man diese Formulierung auch als „1+7“-Regelung verstehen. Andererseits interpretiert das BfArM seinen Leitfaden selbst anders – mit Verweis auf die Teratogenität.
Fraglich ist aus Sicht der Apotheker nämlich auch, ob ein BfArM-Leitfaden überhaupt Grundlage einer Retaxation sein kann. Spannend ist zudem die Frage, ob die beschränkte Gültigkeit der Rezepte für männliche Patienten gleichermaßen gilt.
Orales Isotretinoin wird bei Patienten mit schweren Formen von Akne eingesetzt, die gegen eine Standardbehandlung mit systemischen Antibiotika in Kombination mit Topika therapieresistent sind. Der Einsatz ist in Schwangerschaft und Stillzeit absolut kontraindiziert, da Isotretinoin bei ungeborenen Kindern sehr häufig zu Missbildungen führt.