Drei Monate keine Stempel-Retax APOTHEKE ADHOC, 17.07.2015 10:32 Uhr
Weitere Krankenkassen haben angekündigt, vorerst auf Retaxationen wegen fehlender Arztvornamen und Telefonnummern zu verzichten: Die Knappschaft-Bahn-See will „in einer Übergangsphase von drei Monaten bis einschließlich September auch Rezepte ohne die entsprechenden Angaben“ akzeptieren. Auch im AOK-Lager soll die Rezeptprüfung „mit Augenmaß“ vorgenommen werden. Die Ersatzkassen haben mit den Apothekern sowieso schon eine Friedenspflicht vereinbart.
Die Knappschaft erklärt, dass „die Umstellung der Rezeptvordrucke noch nicht in allen Arztpraxen abgeschlossen ist“. Daher werde man zunächst keine Retaxationen vornehmen. Die AOK Rheinland/Hamburg hat eine ähnliche Vereinbarung mit den Apothekerverbänden und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) getroffen.
Am 30. Juli treffen sich Vertreter der Kassen und Apotheker, um das Thema einheitlich zu lösen. Möglicherweise werde sich sogar der Gesetzgeber helfend einschalten, damit man gemeinsam zu einer Lösung des Stempelproblems kommt, heißt es.
Mit dem Ersatzkassenverband VDEK hatte sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) schon früh auf eine Friedenspflicht verständigt. Die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer GEK, die DAK-Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), die Hanseatische Krankenkasse (HEK) und die Handelskrankenkasse (HKK) warten demnach ebenfalls bis Ende September mit Retaxationen.
Auch die Schwenninger Krankenkasse hat angekündigt, vorerst auf Rechnungskürzungen wegen fehlender Telefonnummern und Vornamen zu verzichten. „Wegen eines Formfehlers soll es nicht dazu kommen, dass Rezepte nicht eingelöst werden können“, erklärte Felix Troester, Apotheker bei der Kasse.
Aus Sicht des DAV sind Retaxationen beim Fehlen der Telefonnummer ohnehin nicht angezeigt. Die Nummer diese lediglich dazu den Apotheken die Kontaktaufnahme mit dem Arzt zu erleichtern, sei also eine Unterstützungsleistung für den Apotheker. Grundsätzlich sei außerdem zu beachten, dass sich die Vorgaben der AMVV primär an den Arzt richteten. Rein vorsorglich empfiehlt der DAV den Apotheken dennoch, auf die Neuerungen zu achten.
Dass die Krankenkassen derzeit Schonfristen vereinbaren, legt allerdings den Verdacht nah, dass sie Retaxationen durchaus für akzeptabel halten. Tatsächlich betonte die Schwenninger in ihrer Ankündigung, Rechnungen vorerst nicht zu kürzen: „Fehlt eine dieser Informationen, ist es einer Krankenkasse möglich, die Verordnung zu retaxieren.“ Bei den AOKen heißt es, man prüfe nach den gewohnten Verfahren, aber mit Augenmaß.
Der AOK-Bundesverband hat zudem auf die Verhandlungen zu Retaxationen verwiesen, die DAV und GKV-Spitzenverband derzeit führen. Laut GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) müssen sie sich darauf verständigen, in welchen Fällen – insbesondere bei Formfehlern – von einer Retaxation abgesehen werden kann. „Zur Zeit befinden sich die Vertragspartner noch im Abstimmungsprozess“, erklärte ein Sprecher des AOK-Bundesverbands Anfang Juli. „Ob das Fehlen der Telefonnummer als unbedeutender Formfehler zu werten ist, ist demnach derzeit ungeklärt. Wir hoffen auf eine alsbaldige Klärung.“
Die Änderungen der AMVV war im Dezember beschlossen worden. Demnach müssen nun auch der Vorname des Arztes und eine Telefonnummer, unter der er erreichbar ist, auf dem Rezept stehen. Am 1. Juli traten diese Vorgaben in Kraft.
Viele Praxen waren offenbar nicht vorbereitet. Die Angst der Apotheker vor Retaxationen führte dazu, dass in vielen Apotheken Rezepte gesammelt und zur Korrektur an den Arzt gegeben oder sogar Patienten zurück in die Praxis geschickt wurden. Apotheker Klaus Mellis aus Krefeld warb bei den Patienten um Verständnis.
Aber auch bei den Ärzten sorgte die Neuregelung für Ärger. Ein Mediziner aus Kleve schrieb einen Beschwerdebrief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und kritisierte die unnötige Bürokratie. Für ihn ist nicht nachvollziehbar, warum der Arztstempel, der jahrzehntelang in Ordnung war, plötzlich nicht mehr ausreicht. Zumal der Verordner durch die Arztnummer und die Betriebsstättennummer eindeutig identifizierbar sei.