Die Apothekerin Dr. Kerstin Boje-Petzokat darf keine Rezeptsammelbox in einem Edeka-Supermarkt in Herne aufstellen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden. Seit Jahren wird vor den Gerichten über den Unterschied zwischen Rezeptsammelstellen und dem Sammeln von Rezepten gestritten. Und die Frage ist noch immer nicht abschließend geklärt, denn wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache wurde Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig zugelassen.
Seit Dezember 2014 hatte die Inhaberin der Pinguin-Apotheke in Herne versucht, mit einem zwei Meter großen Aufsteller im Eingangsbereich eines Edeka-Marktes in Herne-Holsterhausen Rezepte einzusammeln. Nachdem eine konkurrierende Apothekerin gegen das Konzept vorging, verbot das Oberlandesgericht Hamm (OLG) den Service im Eilverfahren: Es handele sich um eine nicht genehmigte Rezeptsammelstelle im Sinne der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und eben nicht um eine Pick-up-Stelle, da es keine Stelle zum Abholen von Medikamenten sei, urteilten die Richter 2015.
Daraufhin passte Boje-Petzokat das Modell an: Da die Apothekerin über eine Versanderlaubnis verfügt, konnten die Kunden seit Juni 2015 zwischen Lieferung durch den Botendienst oder Versand durch einen externen Dienstleister wählen. Die Konkurrentin beantragte vor dem OLG die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen des vermeintlichen Verstoßes gegen die frühere Entscheidung. Doch das OLG lehnte dies ab und erklärte das Modell für zulässig.
Inzwischen hatte sich aber auch die Aufsichtsbehörde bereits eingeschaltet: Im Februar 2015 sprach sie ein Verbot der Rezeptsammlung im Supermarkt aus. Dagegen wehrte sich Boje-Petzokat vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, weil sie der Auffassung ist, dass es sich um eine „erlaubnisfreie Pick-up-Stelle“ handele, die sie im Wege des Versandhandels betreibe.
Anders als das OLG ließ sich die Aufsichtsbehörde auch vom neuen Konzept nicht umstimmen: Im Juli 2015 teilte sie der Apotheke mit, dass sie weiterhin von einer ungenehmigten Rezeptsammelstelle in einem Gewerbebetrieb ausgehe. Darauf folgte im Oktober eine Ordnungsverfügung, gegen die die Apothekerin vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zog. Die Pick-up-Stelle betrieb sie währenddessen weiter.
Ihre Klage begründete Boje-Petzokat unter anderem damit, dass der Begriff Pick-up-Stelle weit auszulegen sei. Die Medikamente müssten nicht zwangsläufig auch dort abgeholt werden. Auch sei im Versandhandel die Lieferung über einen externen Dienstleister keine zwingende Voraussetzung. Das Gesetz regele nur die Kriterien für die Logistiker, schreibe deren Nutzung aber nicht vor.
Das Verwaltungsgericht sah das anders. Es teilte die Einschätzung der Aufsichtsbehörde, dass es sich um eine Rezeptsammelstelle handele, die nicht genehmigt sei. Es bestehe in Herne auch kein Anspruch darauf, schon gar nicht in einem Supermarkt. Außerdem sei der Bereich hinter den Kassen auch keine öffentliche Verkehrsfläche, sondern Teil des Edeka-Marktes.
Entscheidend war dabei für die Richter der „tatsächlich praktizierte Vertriebsweg des Versandhandels“, nicht die Versanderlaubnis der Apotheke. Typisch für den Versand sei, dass sich Kunde und Apotheker nicht persönlich begegneten und der Kundenkreis nicht örtlich abgegrenzt sei. „Das persönliche Einsammeln von Rezepten durch den Apotheker beziehungsweise sein Personal ist dagegen untypisch“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Doch Boje-Petzokat wollte sich auch damit nicht geschlagen geben, sie zog vor das OVG in Münster – und unterlag nun erneut. Der 13. Senat bestätigte das Urteil der Vorinstanz, die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Es sei nach den apothekenrechtlichen Vorschriften zwischen der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar an Kunden in Präsenzapotheken und dem Versand von Arzneimitteln zu unterscheiden. Andere Abgabemöglichkeiten sehe der Gesetzgeber nicht vor, so die Mitteilung des Gerichts.
Die Rezeptsammlung sei nicht zur Versorgung eines abgelegenen Ortsteils erforderlich. Deshalb sei die Sammelvorrichtung in dem Supermarkt nicht als Rezeptsammelstelle zulässig, die zu einer Präsenzapotheke gehört. Da helfe auch die Versandhandelserlaubnis der Klägerin nicht: Denn das Bestellsystem der Klägerin richte sich zielgerichtet und nahezu ausschließlich an Kunden des Supermarkts beziehungsweise an Einwohner der Stadt Herne, die dem räumlichen Einzugsgebiet der Präsenzapotheke zugeordnet werden können. Allerdings könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein: Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das OVG die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
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