Mit gefälschten Rezepten soll ein Apothekerehepaar über Jahre hinweg die eigenen Kassen aufgefüllt haben. Der Prozess startet in der kommenden Woche. Mit auf der Anklagebank sitzt eine ehemalige Angestellte – und die hat die Tat gegenüber den Ermittlungsbehörden eingestanden. Die ehemalige Inhaberin und ihr Ehemann haben sich demnach bislang nicht eingelassen. Zumindest für eine der seit Mai geschlossenen Apotheken könnte es demnächst unter neuer Führung weitergehen.
Den beiden Apothekern und der Angestellten wird laut der Staatsanwaltschaft Mühlhausen vorgeworfen, in 45 Fällen Rezepte gefälscht zu haben. Dabei soll den Krankenkassen ein Schaden von rund 80.000 Euro entstanden sein. Die drei Beschuldigten sind wegen Urkundenfälschung und gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt.
Am 24. Oktober beginnt der Prozess vor dem Amtsgericht Nordhausen in Thüringen. Bisher sind vor Gericht vier Verhandlungstermine angesetzt. Die sogenannte Strafgewalt des Amtsgerichts reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Mehr verlangt die Staatsanwaltschaft also keinesfalls, ansonsten wäre direkt vor dem Landgericht Mühlhausen verhandelt worden.
Die Angestellte habe sich einsichtig gezeigt, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die 32-Jährige habe die Tat gestanden, wie sie in der Anklage stehe. Ob sie diese vor Gericht wiederholt, bleibt abzuwarten. Sowohl ein Geständnis als auch das wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnis zur Inhaberin können sich strafmildernd auswirken. Die ehemalige Angestellte sitzt jedenfalls nicht mehr in Untersuchungshaft – anders als ihre Ex-Chefin und deren Ehemann. „Die beiden Apotheker haben sich nicht eingelassen“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Die beiden Pharmazeuten sitzen seit Monaten in U-Haft. Die 61-jährige Frau ist in Chemnitz, der 58-jährige Mann in Tonna bei Erfurt untergebracht. Es bestehe Flucht- und Verdunklungsgefahr, so der Sprecher. Das mögliche Strafmaß ist nicht unerheblich: Den Angeklagten drohen im schlimmsten Fall mehrere Jahre Gefängnis.
Die beiden Betriebe der Apothekerin in Brandenburg sind seit Längerem geschlossen. Nach Angaben der Landesapothekerkammer Brandenburg wurden die Hauptapotheke und die Filiale auf Antrag der Inhaberin wegen „eines besonderen Grundes“ Ende Mai geschlossen. Anfang September wurde die Betriebserlaubnis an das Landesgesundheitsamt zurückgegeben.
In einer Apotheke soll es im November weitergehen. Eine Kollegin hat sich dem Vernehmen nach den attraktiveren der beiden Standorte gesichert. Unter den Apothekern der Region sind die persönlichen Beziehungen bekannt. So hat die Angeklagte schon einmal als Angestellte bei der Kollegin gearbeitet, die jetzt eine Apotheke übernehmen soll. Zu den Bedingungen des Verkaufs ist nichts bekannt, die übernehmende Apothekerin war bislang zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.
Der Verkauf der Apotheke ist vor dem Hintergrund spannend, dass losgelöst vom Strafverfahren Krankenkassen möglicherweise weitere Ansprüche gegen die Angeklagten geltend machen könnten.
Denn der mutmaßliche Betrug könnte weitere Kreise ziehen: Das angeklagte Trio soll auf den Rezepten echte Patientendaten vermerkt haben, die sie aus einer Datenbank für Ärzte gestohlen haben sollen. Die Rezepte wurden nicht nur in den Betrieben der Apothekerin eingelöst. Die Verordnungen sollen auch bundesweit bei Apotheken abgegeben worden sein. Zudem sollen die illegal erworbenen Medikamente auch an andere Apotheken abgegeben worden sein.
Der Fall ist komplex: Die Betrügereien sind in der thüringischen Region Nordhausen aufgefallen. Auf die Spur der Verdächtigen waren die Ermittler eher zufällig gestoßen. Bei verschiedenen Polizeidienststellen waren gefälschte Verordnungen gemeldet worden. Apotheken hätten Anzeige wegen mehrerer gefälschter Rezepte erstattet. Letztlich hatten die Krankenkassen angeregt, dass einzelne Verfahren gegen Unbekannt zusammenhängen könnten. Außerdem gab es eine Zeugenaussage.
Auf die Rezepte sollen die Pharmazeuten verschiedene hochpreisige Arzneimittel geschrieben haben, darunter Benepali (Etanercept), Avonex (Interferon), Humira (Adalimumab) und Betaferon (Interferon). Im Mai war der mutmaßliche Betrug öffentlich geworden. Mehrere Wohn- und Geschäftsräume in Brandenburg und Thüringen wurden durchsucht. Zunächst war die Staatsanwaltschaft von mehr als 200 Fällen ausgegangen.
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