Wie Apotheken ihre Kunden erziehen

Rezept im Mund = Zwangsspende

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Berlin -

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu hemmen, gelten auch in Apotheken viele neue Regeln. Markierungen auf dem Boden halten die Kunden auf Distanz, manchmal gibt es getrennte Ein- und Ausgänge und Handdesinfektion ist Pflicht. Doch nicht immer werden die Vorschriften beachtet. Die Teams in den Apotheken versuchen mit verschiedenen Mitteln, auf ihre Kundschaft einzuwirken – manchmal auch mit einer Zwangsspende.

Als erste Maßnahme hatte die Apothekerin einen Desinfektionsspender aufgestellt. Doch viele Kunden liefen daran vorbei, ein älterer Herr wäre sogar fast über den Ständer gestolpert – was den Schutzzweck vollkommen ad absurdum geführt hätte. Die Inhaberin brachte ein großes, knalloranges Schild an: „Bitte Hände desinfizieren.“ Das zeigte Wirkung, die meisten Kunden nutzten den Spender nun, was wiederum zu einem neuen Verhalten führte: Während der Desinfektion nahmen immer wieder Patienten ihr Rezept in den Mund – um es anschließend über den HV-Tisch zu reichen. Also hängte die Inhaberin ein zweites Schild über das Schild: „BITTE NEHMEN SIE IHR REZEPT NICHT IN DEN MUND!“ Doch noch immer komme es vor, dass auch diese Anweisung missachtet werde, berichtet die Inhaberin.

Dirk Buckenberger, Inhaber der Alten Apotheke in Bad Segeberg, kennt das Problem. „Ich bin immer ganz erstaunt, wie viele automatische Bewegungen man so im Alltag übernimmt“, meint er. Auch bei ihm stecken sich das Rezept in den Mund, um das Angebot zum Desinfizieren der Hände zu nutzen. „Das ist so ziemlich das schlimmste was man machen kann.“ Und leider keine Ausnahme. Deshalb klebte auch Buckenberger einen Zettel an den Spender: „Wer das Rezept oder Geldscheine in den Mund nimmt, zahlt 5 Euro Strafe in die Spendendose vom Kinderhospiz.“

Mit dieser Maßnahme wolle man die Kunden ein wenig „erziehen“, sagt der Apotheker. Der Spendenzweck soll verdeutlichen, womit man es derzeit zu tun hat. Die Reaktionen seien überwiegend positiv. „Ganz viele haben sogar freiwillig etwas für das Hospiz gespendet“, erzählt er. Nur eine Kundin habe nach der rechtlichen Grundlage verlangt – „die war aber ohnehin schon schlecht drauf“, meint Buckenberger.

Mittlerweile wurde die Idee von einer anderen Apotheke in Dresden übernommen. In der Johannis Apotheke wird die Spende an die Tafel weitergeleitet. „Mich hat total gefreut, dass andere die Idee übernehmen“, meint der Apotheker. „Hoffentlich kommt ganz viel für die Tafel zusammen.“ Dies sei im Sinne der Einrichtung natürlich super – nicht hingegen im Sinne der Hygiene, lacht Buckenberger.

Damit die Kunden auf Abstand bleiben, haben viele Apotheken Markierungen auf dem Boden angebracht. Doch auch aufgeklebte Streifen und Punkte werden immer wieder übersehen oder missachtet. Die Hubertus-Apotheke in Elsdorf entschied sich für etwas besser sichtbare Baustellenhütchen. Doch selbst das hilft nicht immer, wie PTA Angela Heinen in ihrer Video-Botschaft beim Format „Wir gegen Corona“ verrät: „Was nicht so schön ist, dass ihr diese Hütchen wegtretet, damit ihr näher an den HV-Tisch kommt. Diese Hütchen stehen extra da, damit ihr nicht so nah an den HV kommt und der Mindestabstand von 1,5 Metern wirklich eingehalten wird. Wir würden uns wirklich freuen, wenn alle diese Hütchen respektieren würden.“

Jede Apotheke hat vergleichbare Erfahrungen gemacht: Es gibt Berichte von Kunden, die das Plexiglas als störend empfinden und lieber darum herumlaufen. Andere beschweren sich, dass sie bei kaltem Wetter draußen warten müssen, weil nur eine begrenzte Anzahl an Kunden in die Offizin gelassen wird. Zumindest dieses Problem hat sich in vielen Apotheken etwas gelegt, weil aktuell deutlich weniger los ist als noch vor zwei Wochen.

Trotzdem müssen Apotheker und PTA immer wieder mahnen, schlichten, beruhigen. Immerhin: Die meisten Inhaber berichten, dass Kunden auf eine solche Ansprache verständnisvoll reagieren und sich entschuldigen.

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