Verfall als Bußgeldfalle Alexander Müller, 10.02.2016 10:21 Uhr
Abgelaufene Arzneimittel dürfen Apotheken selbstverständlich nicht an Kunden abgeben. Sie dürfen die Packungen aber auch nicht im normalen Lager haben. Weil das offenbar nicht für alle selbstverständlich ist, wurde die Verfalldatenkontrolle zu einem Schwerpunkt bei Revisionen. Vor allem die Kommissionierautomaten sind den Pharmazieräten ein Dorn im Auge – mit einer löblichen Ausnahme.
Beim Wareneingang werden alle Packungen gescannt und die entscheidenden Informationen des Arzneimittels automatisch in der Software hinterlegt – mit Ausnahme des Verfalls. Denn das Haltbarkeitsdatum ist aufgedruckt oder eingestanzt und daher im Barcode nicht enthalten. Der Verfall muss also händisch eingepflegt werden.
Aber genau diesen zusätzlichen Arbeitsschritt sparen sich anscheinend einige Apotheken: „Aufgrund des Kostendrucks und Personalmangels werden die Medikamente manchmal nur eingelagert und ein fiktives Verfalldatum vergeben“, berichtet ein Pharmazierat. „Die Apotheker gehen einfach davon aus, dass alle gelieferten Präparate mindestens ein halbes Jahr haltbar sind.“
Liegt ein Arzneimittel dann länger als sechs Monate im Generalalphabet, wird es kontrolliert und gegebenenfalls zum Großhandel retourniert. Das könne aber schon zu spät sein, so der Pharmazierat. Denn nicht selten habe die Ware schon beim Bezug eine kürzere Restlaufzeit. „Vor allem als Zweitlieferant missbrauchen Großhändler die Apotheken zur Lagerbereinigung“, sagt er. Die Packungen hätten nur eine sehr kurze Restlaufzeit. Ladenhüter lägen aber meist länger als ein halbes Jahr im Generalalphabet.
Bei solchen Verstößen lässt der Pharmazierat nicht mit sich verhandeln. „Wenn eine Apotheke ein verfallenes Arzneimittel abgibt, dann entspricht das für den betroffenen Kunden 100 Prozent.“ Beim ersten Mal belässt er es bei einer Ermahnung, doch bei systematischen Verstößen gibt es Ärger: „Das ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld belegt werden kann.“
Das Abgabedatum kann zwar noch bei der Abgabe kontrolliert werden, um zumindest das Inverkehrbringen zu verhindern. Ein Verstoß bleibt es trotzdem: Abgelaufene Arzneimittel sind nicht verkehrsfähig und dürfen daher nicht zusammen mit regulärer Ware im Generalalphabet gelagert werden – sie müssen in Quarantäne.
Spätestens wenn der Pharmazierat abgelaufene Arzneimittel entdeckt, lässt er sich im Rahmen der Revision die Arbeitsanweisung im Qualität-Management-System (QMS) zeigen. Dort muss beschrieben sein, wie gewährleistet wird, dass Arzneimittel rechtzeitig ausgelagert werden. Doch manchmal mangele es schon hier am Unrechtsbewusstsein, moniert der Pharmazierat. Die Vergabe fiktiver Verfalldaten habe er schon als Anweisung in QM-Handbüchern gefunden.
Das kommt nach seiner Erfahrung vor allem bei Apotheken vor, die einen Kommissionierautomaten mit vollautomatischer Einlagerung benutzen. Denn hier ist es besonders verlockend, auf die händische Eingabe des Verfalldatums zu verzichten. Der Automat hinterlegt im System ein einheitliches Datum für die gesamte Lieferung und lagert zum Stichtag zur Kontrolle wieder aus.
Die Roboterfreunde der Apotheker stehen bei den Pharmazieräten traditionell unter Beobachtung. Die Einhaltung der Lagertemperatur war lange ein Thema, vor allem im Sommer. Dieses Problem wurde aber mit der Klimatisierung der Automaten gelöst.
Die Sache mit dem Verfalldatum ist schwieriger zu lösen. Die Kommissionierautomaten-Hersteller setzen auf die Einführung der 2D-Codes auf den Packungen. Denn in der Data-Matrix ist das Datum enthalten und kann per Scan ausgelesen werden. Eine flächendeckende Umsetzung wird allerdings noch auf sich warten lassen. Seit gestern läuft die dreijährige Übergangfrist.
Der Pharmazierat kritisiert das Abwarten der Automatenhersteller. Schließlich könnten bis kurz vor der endgültigen Umsetzung des Systems auf Herstellerebene noch Packungen mit der alten Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden: „Ich will doch als Patient nicht jahrelang warten, bis die Apotheke ihre digitale Verfalldatenkontrolle im Griff hat“, so der Pharmazierat.
Branchenprimus Rowa hat eine Lösung gefunden: Bei der zweiten Generation der Einlagerungsautomatik „Prolog“ werden die Packungen fotografiert, das Verfalldatum eingelesen. Dank einer zentralen Datenbank im Hintergrund weiß der Automat, wo er auf der Packung nach dem Datum suchen muss. Konkurrent KLS hat ebenfalls eine Lösung in der Entwicklung.
Die Pharmazieräte haben die Entwicklung bei ihrer Tagung nach der Expopharm positiv zur Kenntnis genommen – Rowa hatte das Modul auf der Messe vorgestellt. „Die Arzneimittelsicherheit hat durch diese Technik gewonnen“, sagt der Pharmazierat. Deshalb stehe man in der Arbeitsgruppe der Digitalisierung auch eher positiv gegenüber, etwa beim Rezeptscan.
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